„Der größte Klimazerstörer ist der Krieg“

Arbeiter unterstützen die Wahlteilnahme der SGP und kritisieren Krieg und Sozialabbau

In den letzten Wochen haben Teams der Sozialistischen Gleichheitspartei in zahlreichen Städten in Deutschland Unterschriften für die Teilnahme der SGP bei der Bundestagswahl am 23. Februar gesammelt, darunter in Berlin und Leipzig. In den Gesprächen mit Hunderten Arbeitern, jungen Menschen und Rentnern über unseren Wahlaufruf standen vor allem zwei Fragen im Mittelpunkt: die globale Kriegsentwicklung und die tiefe soziale Krise.

Berlin

Eine Arbeiterin im Ostberliner Bezirk Lichtenberg unterschrieb für die SGP, weil sie die militärische Aufrüstung und den Sozialabbau ablehnt: „Wie kann es sein, dass sie Milliarden in den Krieg stecken oder für ein neues Bundestagsgebäude ausgeben, während gleichzeitig an den Schulen alles verkommt und die Klos verdrecken?“ Sie ist auch empört, dass Politiker eng mit der Wirtschaft verflochten sind und Abgeordnete für ihre Lobbyarbeit fürstlich entlohnt werden. „Ich muss hart arbeiten und schauen, wie ich meine Rechnungen bezahle. Mein Weihnachtsgeld ist zuletzt komplett für die Nachzahlung der Nebenkosten draufgegangen“, erklärt sie und verweist auf die dramatische Wohnungslage in Berlin.

Zwei junge Berlinerinnen unterschreiben für die Wahlteilnahme der SGP

Am Leopoldplatz im Berliner Wedding sprach die SGP mit einem Arbeiter, der ursprünglich aus Kasachstan stammt und sich besorgt über die Weltkriegsgefahr zeigte. Wenn „Taurus“-Marschflugkörper geliefert werden, könne das in einen dritten Weltkrieg führen, erklärte er. Gleichzeitig lebe er selbst in einer prekären Lage. Wegen der hohen Mietpreise könne er sich keinen festen Wohnsitz leisten und ziehe derzeit von Freund zu Freund.

Auf dem Büchertisch der SGP entdeckte er Schriften von Leo Trotzki, den er aufgrund seines kasachischen Hintergrunds bereits kennt. Doch wozu solle er die Bücher kaufen, wenn er das Geld doch dringend für seine Miete brauche, fragte er. SGP-Mitglieder erklärten ihm, dass wir dafür kämpfen, eine Bewegung gegen den Kapitalismus, die Wurzel dieses sozialen Übels, aufzubauen. Dafür brauche es ein klares politisches Verständnis – und die Bücher des Mehring Verlags seien hierfür zentral. Schließlich kaufte er die Permanente Revolution, ein Schlüsselwerk von Trotzki.

Büchertisch der SGP im Berliner Wedding

Eine ehemalige Lehrerin aus Kasachstan, die an der Frankfurter Allee für die SGP unterschrieb, verfolgt ebenfalls mit großer Sorge die Kriegseskalation in Osteuropa, aber auch die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland. Die Schulen seien mittlerweile in einer katastrophalen Lage, so dass Kinder kaum noch etwas lernen könnten, sagt sie.

Sie sei noch in der Sowjetunion aufgewachsen, wo zwar viele Probleme herrschten und auch ihre Familie vom stalinistischen Terror betroffen war, aber dennoch ein gewisser gesellschaftlicher Zusammenhalt existiert habe. Heute kämpfe jeder für sich allein, um über die Runden zu kommen. Der tägliche Stress in Deutschland sei enorm, was auch die sozialen Beziehungen belaste. Es bräuchte eigentlich radikale Veränderungen, meint sie. Aber dafür müssten „Massen auf die Straße gehen“.

Eine ukrainische Geflüchtete und Mutter sprach mit der SGP über ihre Erfahrungen im Ukrainekrieg. Ihr Sohn sei nach Deutschland geflohen, um nicht zum Militärdienst eingezogen zu werden. Sie ist nachgekommen und arbeitet hier als Reinigungskraft.

„Die jungen Männer sterben jetzt an der Front. Wofür, frage ich? Dafür, dass [der ukrainische Präsident Wolodymyr] Selenskyj durch Europa reist, die Hand aufhält und dann das Geld selbst in die Tasche steckt!“ Sie ist empört über den Reichtum der Oligarchen auf der einen Seite und die große soziale Not auf der anderen. „Die Ukraine ist zwar ein schönes Land, aber sie war schon immer bitterarm. Und jetzt haben wir auch noch Krieg. Das haben wir Selenskyj zu verdanken.“ Viele Häuser liegen bereits in Trümmern, die Menschen haben nur wenige Stunden Strom am Tag. Angesichts der dramatischen Bedingungen schicke sie ihren Freunden in der Ukraine Kleidung und andere Unterstützung.

Sie habe selbst die verheerenden Folgen der Auflösung der Sowjetunion miterlebt, sagt sie. Als Mitarbeiterin in einer Schule habe sie nach 1991 monatelang kein Gehalt bekommen. Nur mit Mühe konnte sie ihren kleinen Kindern ein Essen auf den Tisch stellen. Schließlich zog sie nach Moskau, um dort Arbeit zu finden. Im Krieg würden beide Regime in Russland und der Ukraine die Menschen gegeneinander aufhetzen und spalten.

Ein 88-jähriger Rentner, Jahrgang 1938, unterstützte die Wahlteilnahme der SGP mit dem Kommentar: „Der größte Klimazerstörer ist der Krieg.“ Er hat als Kind noch den Zweiten Weltkrieg in Berlin erlebt. „Die vielen Toten, der Hunger, die Trümmer. Daran erinnere ich mich noch gut“, sagt er. Deshalb ist er wütend, wenn er heute den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck im Fernsehen sagen hört, er habe keine Angst vor Krieg. „Was denkt dieser Mann? Was glaubt er, was Krieg bedeutet? Er hat keine Ahnung.“

In der Kriegspolitik gegen Russland sieht er auch eine Kontinuität zur Nazi-Zeit und nennt die heutigen Kriegsbefürworter „die neuen Ostritter“, die sich wieder nach Russland aufmachen. Damit spielt er auf die Ziele des Hitler-Regimes an, das 1939 in Polen einmarschierte und 1941 den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion begann, um deutschen „Lebensraum“ im Osten zu schaffen und die gesamte Region wirtschaftlich auszubeuten und zu unterjochen.

Ein Passant in Tempelhof, der seine Unterschrift für die SGP abgab, machte ebenfalls seinem Ärger über Habeck Luft, weil dieser gerade eine drastische Erhöhung der Militärausgaben auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung gefordert hatte. Von der alten Friedensbewegung unter den Grünen sei nichts mehr übriggeblieben. Stattdessen gehören sie nun zu den Kriegstreibern und seien für ihn nicht mehr wählbar.

Omar, ein Palästinenser, der bereits vor 50 Jahren aus dem Libanon nach Deutschland geflohen ist, unterschrieb für die SGP wegen ihrer klaren Haltung im Kampf gegen den Genozid in Gaza. Auf dem Handy zeigt er Videos von den Verbrechen gegen palästinensische Kinder, die er auf Social Media geteilt hat. Der Genozid spiele sich live vor aller Welt ab: „Niemand kann wie 1945 behaupten, man habe es nicht gewusst.“ Er war besonders angewidert von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock, die in einer Bundestagsrede offen die Angriffe des israelischen Militärs auf Schulen und Krankenhäuser verteidigt hat.

Auf die Frage, wie der Gaza-Krieg beendet werden kann, reagiert er nachdenklich und etwas ratlos. Er erinnert sich an das Oslo-Abkommen der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) unter Jassir Arafat mit Israel von 1993, das schließlich gebrochen wurde und letztlich „keinen Frieden gebracht“ habe. SGP-Mitglieder diskutierten mit ihm darüber, warum die bürgerliche nationalistische Politik der arabischen Regime und palästinensischen Bourgeoisie im Nahen Osten gescheitert ist und dass eine internationale Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse aufgebaut werden muss. Omar notierte sich das neue Buch von David North Die Logik des Zionismus, das er lesen wolle.

Eine 18-jährige junge Frau, die gerade auf dem Weg in die Bibliothek in Berlin-Kreuzberg war, unterschrieb ebenfalls, weil sie den Genozid in Gaza ablehnt. Die meisten Menschen seien doch gegen den Völkermord, ist sie überzeugt. Aber die Regierung unterstütze den Krieg gegen den Willen der Bevölkerung.

Auch Tamara, eine Afroamerikanerin aus den USA, kritisierte die Kriegspolitik Deutschlands und der USA. Die Demokraten seien keine Alternative zu dem Faschisten Trump. Ob Kamala Harris, Hillary Clinton oder Barack Obama – sie hätten alle versucht, die Frauen- oder Rassenfrage auszunutzen, aber letztlich weiter Krieg geführt und nichts für die arbeitende Bevölkerung verbessert. Deshalb ist sie gegen die Spaltung der Menschen nach nationalen, ethnischen oder identitätspolitischen Kriterien.

Neben der Kriegsfrage bewegt viele Berlinerinnen und Berliner die enorme soziale Krise, von der sie unmittelbar betroffen sind. Eine Frau erzählte, sie habe zum Jahreswechsel eine 4000-Euro-Nachzahlung von Vonovia bekommen, einem der größten deutschen Immobilienkonzerne. „Ich kann das nicht bezahlen. Was soll ich tun? Mir wurde gesagt, ich soll mir einen Anwalt nehmen. Aber das bringt doch nichts. Diese Konzerne machen, was sie wollen.“ Zudem müsse sie ihren kranken Mann pflegen, was zusätzliche Kosten bedeute. Mittlerweile sei sie von allen Parteien völlig enttäuscht.

Ein 25-jähriger Metallarbeiter und seine Freundin unterschrieben für die SGP in Tempelhof, weil sie für soziale Gleichheit eintritt. Er arbeitet zum Mindestlohn und hat zuletzt mit seinem Arbeitgeber vergeblich über eine kleine Gehaltserhöhung von einem Euro die Stunde verhandelt. Zuvor habe er bei Edeka an der Kasse gearbeitet: „Da wurde mir der Corona-Bonus in der Pandemie verweigert, weil ich nicht festangestellt war.“ Während die Preise und Wohnkosten stiegen, blieben die Löhne einfach niedrig. Er wisse von seinem Vater und Großvater, welche sozialen Errungenschaften es früher gab: „Da war das Weihnachtsgeld oder eine regelmäßige Lohnerhöhung noch Standard. Heute gibt es sowas nicht mehr.“

Leipzig

SGP-Mitglieder sammelten im Leipziger Norden innerhalb weniger Tage die Unterstützungsunterschriften, um Martin Mauer als parteiunabhängigen Direktkandidaten, zu dessen Wahl die SGP aufruft, im Wahlkreis Leipzig I zu untertützen. Mauer wird auf dem Wahlzettel in Leipzig Nord mit der Losung stehen: „Gegen Krieg und Kapitalismus! Stoppt den Genozid in Gaza“.

SGP-Kandidat Martin Mauer diskutiert mit Leipzigern über eine sozialistische Perspektive

Die weit verbreitete Opposition gegen den Ukrainekrieg und den Völkermord in Gaza war auch hier der Hauptgrund für die Unterstützung der SGP. Gerade ältere Menschen erinnerten sich an die Schrecken des letzten Weltkriegs.

Siegmund, fast 92 Jahre alt, war als siebenjähriger Junge 1940 mit seinen Eltern in Polen angesiedelt worden. „In einem Pferdewagen sind wir drei oder vier Jahre später wieder zurück nach Deutschland geflüchtet“, berichtet er. Er möchte auf keinen Fall, dass sich das wiederholt, und hat daher sofort für die Wahlteilnahme des SGP-Kandidaten Mauer unterschrieben.

Eine 93-Jährige berichtete den Tränen nahe über ihre Kriegserlebnisse. Sie musste gemeinsam mit ihrer Mutter und neun Geschwistern aus Ostpreußen fliehen, der Vater war gefallen. „Als ich die ersten Bilder aus dem Ukrainekrieg sah, habe ich zwei Tage lang geweint.“ Seitdem sehe sie keine Nachrichten mehr zum Krieg, das schaffe sie nicht.

Zwei palästinensische junge Männer unterschrieben für Martin Mauer und tauschten mit ihm Kontaktdaten aus, um gemeinsam in Leipzig aktiv zu werden. Mauer hatte ihnen die prinzipielle Haltung der SGP zum Völkermord in Gaza erklärt, die für eine Vereinigung der arabischen, persischen und jüdischen Arbeiterklasse im Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten im Nahen Osten kämpft.

Viele weitere unterschrieben spontan, wenn sie hörten, dass wir den Kampf gegen die Aufrüstung und Sozialkürzungen ins Zentrum unseres Wahlkampfs stellen. Einer von ihnen war Thomas, Sozialarbeiter und derzeit arbeitslos. Er befürchtet, dass die nächste Bundesregierung vom Sozialstaat nichts übrig lassen wird: „Wenn [CDU-Kanzlerkandidat Friedrich] Merz oder gar [AfD-Kanzlerkandidatin Alice] Weidel rankommen, wird es ein Sozialgefüge nicht mehr geben. Merz wird es wegsprengen.”

Die schon jetzt angerichtete soziale Katastrophe hat nicht wenige Menschen in die Arme der AfD getrieben. Die Meinung, „Die da oben machen ohnehin, was sie wollen“ und „Wahlen ändern nichts daran“, war verbreitet. Einige erwiderten deshalb, sie wählten „blau“, also die AfD.

Doch gegen die Gefahr des Faschismus entwickelt sich genauso der Widerstand. Zahlreiche jüngere Leipzigerinnen und Leipziger unterschrieben für uns, um ein Zeichen gegen rechts zu setzen. Lena fragte ausdrücklich nach, wie wir zu Migration und Flüchtlingen stehen. Als ihr geantwortet wurde, dass die SGP das Recht eines jeden Menschen verteidigt, dort zu leben und zu arbeiten, wo er möchte, unterschrieb sie. Auch die Haltung der SGP, dass die Flüchtlinge vor den Kriegen fliehen, die die Bundesregierung führt bzw. unterstützt, fand ihre Zustimmung. „Ich weiß noch nicht, was ich wähle“, sagte sie. Die Linken hätten sich durch ihre Politik disqualifiziert und das BSW wolle sie wegen ihrer migrantenfeindlichen Politik nicht wählen.

In den zahlreichen Diskussionen, die die SGP u. a. auch in Duisburg führt, um dort ihren stellvertretenden Vorsitzenden Dietmar Gaisenkersting als parteiunabhängigen Direktkandidaten zu unterstützen, wurde deutlich, dass es in der Arbeiterklasse, Jugend und Teilen der Mittelschichten brodelt und sich eine soziale Explosion anbahnt. Doch zugleich herrscht eine große politische Orientierungslosigkeit. Die Menschen suchen nach Antworten auf die vielen gesellschaftlichen Fragen, mit denen sie konfrontiert sind.

Der Vorsitzende und Spitzenkandidat der SGP, Christoph Vandreier, sprach am Leopoldplatz im Wedding über die Resonanz beim Unterschriftensammeln und erklärte:

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Wir treten zu den Bundestagswahlen an, um eine internationale Bewegung gegen Krieg und seine Wurzel, den Kapitalismus, aufzubauen. Die einzige Möglichkeit, eine Katastrophe und einen Weltkrieg zu verhindern, ist, dass die Arbeiter unabhängig ins politische Geschehen eingreifen. Dazu brauchen sie eine sozialistische Perspektive, die gegen den Kapitalismus gerichtet ist. Für diese Perspektive streiten wir bei diesen Wahlen. Deswegen: Macht mit bei der Sozialistischen Gleichheitspartei! Unterstützt unseren Wahlkampf und macht eine möglichst großzügige Spende, damit wir diese Wahl zu einem Erfolg machen und eine internationale Bewegung aufbauen können.

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