Im Dezember wählte der Sächsische Landtag Michael Kretschmer (CDU) erneut zum Ministerpräsidenten. Er führt eine Minderheitsregierung aus CDU und SPD. Nun sind die Vertreter für die einzelnen parlamentarischen Gremien ernannt worden.
Der Landtag brauchte nur 21 Minuten, um alle parlamentarischen Gremien unter den Fraktionen aufzuteilen, berichtete der MDR. Mit Zustimmung der anderen Parteien besetzt die rechtsextreme AfD Schlüsselpositionen, die für den Ausbau des Polizeistaats entscheidend sind. CDU und AfD stehen jeweils vier Ausschüssen, BSW und SPD je einem vor.
Was wir bereits im Dezember schrieben, dass alle Parteien „enger zusammen und weiter nach rechts rücken“, hat sich nun anschaulich bestätigt. Zwar hatte die AfD bereits in der Vergangenheit in manchen Ausschüssen den Vorsitz, jedoch noch nie in so vielen und vor allem so wichtigen Gremien. Bereits vor seiner Wahl hatte Regierungschef Kretschmer erklärt, er wolle mit allen Parteien, auch mit der AfD, enger zusammenarbeiten, indem er sie regelmäßig konsultiere.
Laut der Website des Sächsischen Landtag gewährleisten Ausschüsse „eine effektive parlamentarische Arbeit, indem sie Beratungen und Beschlüsse für das Plenum vorbereiten“. Sie haben unter anderem die Aufgabe, dem Landtag Gesetzentwürfe und Anträge zu empfehlen und damit „Entscheidungen des Plenums fachlich und politisch” vorzubereiten. Dem Vorsitzenden kommt dabei nicht nur die Leitung und Planung der Sitzungen zu, sondern er entscheidet auch über die zu behandelten Anträge und Themen.
Mit den Stimmen der CDU – und teilweise auch der SPD und des BSW – sind nun Rechtsextreme zu Vorsitzenden des Justiz-, des Innen-, des Bildungs- und des Finanzausschusses gewählt worden. Des Weiteren stellt die AfD im Wirtschafts-, im Wissenschafts- und im Petitionsausschuss sowie im Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten jeweils den Stellvertretenden Vorsitzenden.
Auch im Corona-Untersuchungsausschuss, der im Oktober mit Stimmen der AfD und des BSW gegründet wurde, stellt die AfD den Stellvertreter. Zusätzlich haben alle Parteien für die Gründung einer Enquetekommission gestimmt. Da inzwischen alle Parteien eine Durchseuchungspolitik befürworten und AfD und BSW als notorische Corona-Relativierer bekannt sind, wird der Ausschuss vor allem der Verbreitung von Desinformation und Verschwörungstheorien dienen.
Ein Blick auf die AfD-Vertreter wirft ein Schlaglicht auf den politischen Charakter dieser Partei, die sich maßgeblich aus dem Sicherheits-, Polizei- und Staatsapparat rekrutiert und sich zugleich als Friedens- und Freiheitspartei inszeniert.
Holger Hentschel, der zukünftige Leiter des Finanzausschusses, war acht Jahre lang Zeitsoldat bei der Luftwaffe, bevor er 2014 der AfD beitrat und seitdem für sie tätig ist.
Alexander Wiesner, Vorsitzender des Justizgremiums, trägt als Alter Herr der schlagenden Studentenverbindung Corps Saxonia Leipzig nicht nur einige Narben, bis vor kurzem hatte er auch Kurt Hättasch in seinem Landtagsbüro angestellt. Hättasch sitzt seit November als Mitglied der rechtsterroristischen „Sächsischen Separatisten“ in Untersuchungshaft.
Lars Kuppi, der den Innenausschuss leiten soll, war erst zwei Jahre bei der Bundeswehr und anschließend seit 1992 bei der Polizei. Zuletzt war er als Polizeiobermeister in Chemnitz tätig. Er ist Anhänger des formal aufgelösten Flügels um den Faschisten Björn Höcke und den mittlerweile ausgeschlossenen Neonazi Andreas Kalbitz. Aufgrund seiner offenen Verbrüderung mit Neonazis wurde er sogar aus der extrem rechten „Polizeigewerkschaft” um Rainer Wendt ausgeschlossen.
Mit Sebastian Wippel sitzt ein weiterer Polizist, der notorisch gegen Migranten hetzt, für die AfD im Parlamentarischen Kontrollgremium. Wippel, den man laut einem Urteil des Landgerichts Görlitz von 2020 als „Faschisten” bezeichnen darf, verteilte u.a. 2018 auf einer Feier zum muslimischen Zuckerfest Flyer, die zur Ausreise aufriefen.
Ein Faschist beteiligt sich somit an der Kontrolle von polizeilichen Maßnahmen wie der „akustischen Wohnungsüberwachung und beim sonstigen Einsatz besonderer Mittel“, wie es der Sächsische Landtag beschreibt.
Sächsische Beamte trampeln seit Jahrzehnten dermaßen offen auf demokratischen Grundrechten herum, dass 2011 selbst der einstige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse von der besonderen „Sächsischen Demokratie“ sprach. Auch politische Schauprozesse gegen Nazi-Gegner wie Lothar König gehörten bereits vor der AfD zur sächsischen Normalität. Doch nun dürfen die rechtsextremen Beamten sich auch ganz offen selbst überwachen.
In der Parlamentarische Kontrollkommission wiederum, also dem Gremium das den Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ kontrolliert, sitzt für die AfD Carsten Hütter. Hütter war zwölf Jahre in der Bundeswehr und schied 1995 als Oberfeldwebel aus.
Ganz in der Tradition eines bekannteren Gefreiten namens Adolf Hitler wollte er 2018 mit einer Kleinen Anfrage die Anzahl und alle Meldeadressen der seit 2010 in Sachsen lebenden Sinti und Roma erfassen. Die Antifaschistischen Aktion, kurz Antifa, will er als schwerkriminelle und linksradikale Terroristen verbieten lassen.
Er liegt damit auf einer Linie mit dem sächsischen Verfassungsschutz, der sich jahrelang weigerte, PEGIDA oder die AfD als rechtsextrem zu bezeichnen, aber gleichzeitig linke Bands, Konzerte oder Proteste als „linksextremistisch“ diffamierte. Zugleich ist der Verfassungsschutz durch ein Netz von V-Leuten tief in die Neonazi-Szene verstrickt. Die Enthüllungen um den NSU, der zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordete, werfen ein Schlaglicht auf diese staatlich geförderten Strukturen.
Und schlussendlich wurde mit André Wendt ein weiterer Soldat erneut ins Präsidium des Landtags gewählt. Wendt trat 1993 in die Bundeswehr ein und ist seit 1999 Berufssoldat. Als solcher war er an Einsätzen im einstigen Jugoslawien und Afghanistan beteiligt.
Einige Parteien heucheln zwar nun Kritik an dieser oder jener AfD-Personalie, doch tatsächlich sind sich in den Grundfragen der Staatsaufrüstung, der Abschiebungen und der Sozialkürzungen alle einig. Deshalb kann sich Kretschmers Minderheitsregierung mit Unterstützung aller im Landtag vertretenen Parteien halten.
Die Entwicklungen in Sachsen strafen nicht nur das Gerede von einer Brandmauer gegen die AfD Lügen. Sie zeigen vor allem, wie weit fortgeschritten die Integration der rechtsextremen Partei bereits ist.
Wie schnell die selbst ernannten „Parteien der demokratischen Mitte“ ihre Lippenbekenntnisse vergessen, wurde jüngst in Österreich in deutlich. Dort bereitet sich die Schwesterpartei der CDU, die konservative ÖVP, auf den Eintritt in eine Regierung unter dem Neonazi Herbert Kickl vor.
Die Rückkehr rechtsextremer und faschistischer Elemente in den politischen Regierungsalltag ist ein weltweites Phänomen. Den Weg dafür geebnet haben insbesondere jene pseudolinken Kräfte, die – auch in Sachsen – unentwegt eine Politik des „kleineren Übels” gepredigt und jede unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse unterdrückt haben.