Türkische Regierung verschärft ihr Vorgehen gegen CHP und DEM Parti

Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht verstärkt gegen die Republikanische Volkspartei (CHP), die bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr den ersten Platz belegt hatte, und gegen die kurdisch-nationalistische Partei der Gleichheit und Demokratie der Völker (DEM Parti) vor.

Insgesamt 10 Personen, darunter mehrere stellvertretende Bürgermeister und Gemeinderäte, wurden am Dienstag in neun CHP-Bezirksgemeinden in Istanbul (Kartal, Ataşehir, Üsküdar, Sancaktepe, Fatih, Tuzla, Adalar, Şişli, Beyoğlu) festgenommen. Abdullah Zeydan, Bürgermeister der Stadt Van (Ostanatolien), die von der DEM regiert wird, wurde wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ und „Propaganda für eine terroristische Organisation durch die Presse“ zu 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt.

Ekrem Imamoglu, Bürgermeister der Istanbuler Stadtverwaltung, bei einer Rede vor dem Istanbuler Justizpalast am 31. Januar 2025 [Photo: X / @ekrem_imamoglu]

Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Group lehnen diese undemokratische staatliche Repression ab, ungeachtet aller politischen Differenzen, die uns von den Parteien CHP und DEM trennen, und wir fordern die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Die Abschaffung demokratischer Grundrechte unter dem Vorwand unbegründeter „terroristischer“ Anschuldigungen muss ein Ende haben.

Die Operation des Istanbuler Büros für Terrorismusbekämpfung gegen die CHP-Gemeinden wird mit dem legalen Wahlbündnis zwischen der CHP und der DEM-Parti, dem so genannten „Urbanen Konsens“, bei den Kommunalwahlen am 31. März 2024 begründet. Mehr als 20 Millionen Wähler haben landesweit für diese beiden Parteien gestimmt.

Die Generalstaatsanwaltschaft von Istanbul konstruiert ein „Verbrechen“, das es nicht gibt, und versucht, ihr Vorgehen damit zu rechtfertigen, dass Funktionäre der illegalen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) dieses Wahlbündnis zwischen zwei legalen Parteien gelobt hätten.

Die Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft verbindet den „Urbanen Konsens“ mit der Autonomie, die eine legale Forderung ist, und behauptet, dass die Einbeziehung von „Kurden“ in die Stadtverwaltungen durch dieses Bündnis eine Straftat darstelle: „Mit der Formel des Urbanen Konsenses versuchten die Kurden in den westlichen Provinzen und Bezirken, eine bestimmte Anzahl von Quoten in den Gemeinderäten zu bekommen, im Austausch für einen Kandidaten, den die Parteien vorher vereinbart hatten und unterstützen sollten, selbst wenn sie in diesen Gemeinden nicht gewinnen konnten. Auf diese Weise wollten sie ein Mitspracherecht bei den Entscheidungen der Gemeinderäte bekommen, um an den lokalen Regierungen teilzunehmen und ein politisches Gegengewicht zu bilden.“

Diese Operation ist Teil eines umfassenderen polizeistaatlichen Vorgehens, das sich in letzter Zeit gegen politische Parteien, die Medien und andere Teile der Öffentlichkeit richtet. Schon im November wurde der CHP-Bürgermeister von Istanbul Esenyurt, Ahmet Özer, unter ähnlichen Vorwürfen verhaftet.

Nach der Verurteilung von Zeydan zu einer Gefängnisstrafe wird in der Stadt Van voraussichtlich ein Treuhänder auf verfassungswidrige Weise eingesetzt werden. Seit den Wahlen im März 2024 sind in acht Gemeinden, in denen DEM regierte, Treuhänder eingesetzt worden. Diese Ernennungen sind ein direkter Verstoß gegen das verfassungsmäßige Recht, zu wählen und gewählt zu werden.

İstanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, möglicherweise der Präsidentschaftskandidat der CHP gegen Erdoğan, hat in einer Erklärung auf X mit Bezug auf Erdoğan Folgendes geschrieben:

Wir zahlen die Rechnung dafür, dass das Land für die Launen einer Person benutzt wird, die sich über den Willen der Nation stellt, die denkt, sie sei der Herr der Nation. Wir zahlen mit den Lebenshaltungskosten. Wir zahlen mit den Schwierigkeiten, unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir zahlen mit sozialem Verfall. Wir zahlen mit politischem Verfall.

İmamoğlu beendete sein Statement mit den Worten: „Die Wahlurne wird kommen. Eine Person wird gehen, alles wird sich ändern!“ Die CHP hatte vor kurzem auf den zunehmenden Druck mit der Forderung nach vorgezogenen Wahlen reagiert.

Der stellvertretende CHP-Fraktionsvorsitzende Ali Mahir Başarır äußerte sich ähnlich: „Diejenigen, die versuchen, mit Aktionen im Morgengrauen Politik zu machen, können nicht verbergen, was die wahre Agenda dieses Landes ist: Armut und Elend!“

CHP-Vorsitzender Özgür Özel verwies im oppositionsnahen Sender Halk TV auf „Ermittlungen in vielen Kommunen, die sich gegen die Istanbuler Metropolitan Municipality (IBB) richten“. Auf die Frage: „Ist [Bürgermeister] İmamoğlu das Ziel?“ antwortete Özel: „Ich habe das schon bei [der Operation gegen die Stadtverwaltung] Beşiktaş angenommen; ich denke, Schritt für Schritt bewegt man sich auf dieses Ziel zu.“ Der Bürgermeister von Beşiktaş, Rıza Akpolat, wurde letzten Monat wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet.

Die Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları, verurteilte die Operation gegen die CHP und sagte: „Die Operation gegen die Gemeinden ist ein politischer Coup. Der Urbane Konsens ist die Formel für das Zusammenleben. Wie kann der Konsens ein Verbrechen sein? Auf der einen Seite spricht man von ‚Frieden‘, auf der anderen Seite nimmt man den Urbanen Konsens zum Vorwand für Verhaftungen. Das werden wir niemals akzeptieren.“

Und weiter: „Wenn der Urbane Konsens ein Verbrechen ist, begehen wir dann seit dem 1. Oktober gemeinsam ein Verbrechen – Hey Regierung? Hey [Präsidenten-]Palast? Hey Staatsanwalt der Republik?“ Damit bezog sich Hatimoğulları auf die Verhandlungen, die im Rahmen von Gesprächen mit dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan geführt worden waren, und an denen alle Parteien im Parlament beteiligt waren.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Ankara leitete am Montag eine Untersuchung zum 38. ordentlichen Kongress der CHP ein, der am 4. und 5. November 2023 stattfand. Auf dem Kongress, den Erdoğan wiederholt als „zwielichtig“ bezeichnet hat, verlor Kemal Kılıçdaroğlu, der Präsidentschaftskandidat der Partei im Jahr 2023, die Führung. Statt seiner wurde Özgür Özel mit Unterstützung von İmamoğlu gewählt.

Der ehemalige Vorsitzende Kılıçdaroğlu und der ehemalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Akif Hamzaçebi wurden wegen ihrer Kritik an dem Kongress in der Presse als Zeugen geladen, verweigerten jedoch beide die Aussage.

Am Sonntag wurden Uğur Koç und Berkant Gültekin, Redaktionsmitglieder der Website der Tageszeitung BirGün, sowie der leitende Redakteur Yaşar Gökdemir festgenommen. Den Mitarbeitern von BirGün, der auf X über zwei Millionen Menschen folgen, wurde vorgeworfen, „Personen gezielt ins Visier genommen zu haben, die am Kampf gegen den Terrorismus beteiligt sind“. Grund war, dass sie über den Besuch der regierungsnahen Zeitung Sabah beim Istanbuler Generalstaatsanwalt berichtet hatten. Gültekin wurde freigelassen, während Koç und Gökdemir nur unter richterlicher Aufsicht freikamen.

Der betreffende Generalstaatsanwalt stand in jüngster Zeit bei Ermittlungen und Prozessen gegen CHP-Gemeinden an vorderster Front. Im vergangenen Monat wurden fünf Journalisten festgenommen, weil sie an einer Sendung von Halk TV über diese Entwicklung teilgenommen hatten; vier von ihnen wurden unter richterlicher Aufsicht wieder freigelassen, während der Chefredakteur Suat Toktaş weiter in Haft bleibt.

Laut einem Bericht der Journalistenvereinigung Dicle Fırat wurde im Jahr 2024 gegen 74 Journalisten ermittelt; allein im vergangenen Januar waren es 42 Journalisten. Neun Journalisten, zumeist aus der kurdischen Presse, wurden verhaftet. Die Social-Media-Konten der Agentur Mezopotamya, der Nachrichtenagentur JINNEWS und der Zeitung Yeni Yaşam wurden geschlossen oder zensiert.

Die Repression durch die Erdoğan-Regierung in der Türkei steht im Einklang mit der internationalen Ausrichtung der herrschenden Klassen. Unter den Bedingungen eines eskalierenden imperialistischen Krieges und wachsender sozialer Ungleichheit richten sie sich vor allem gegen die Arbeiterklasse. Das eklatanteste Beispiel dafür ist die Art und Weise, wie der Faschist Donald Trump tagtäglich die Verfassung mit Füßen tritt. Vier Jahre nach seinem Putschversuch hat die Oligarchie ihn in den USA an die Macht gebracht.

Die mit den USA verbündeten Regierungen wissen, dass sie es in Washington nicht länger mit einer Regierung zu tun haben, die sie wegen ihrer antidemokratischen Praktiken mit der Rhetorik der „Menschenrechte“ unter Druck setzt.