Perspektive

Trumps Kurswechsel in der Ukraine-Politik: Eine neue Phase des globalen US-Kriegs

Präsident Donald Trump trifft sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Trump Tower, 27. September 2024, in New York. [AP Photo/Julia Demaree Nikhinson]

Am Dienstag kam US-Außenminister Marco Rubio in Saudi-Arabien zu einem offiziellen Treffen mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow zusammen. Es war das erste hochrangige Gipfeltreffen zwischen US-amerikanischen und russischen Politikern seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022.

Im Anschluss an das Treffen kündigte Rubio an, die USA und Russland würden an der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen arbeiten. Er sagte, die Trump-Regierung wolle „das Ende des Konflikts in der Ukraine auf eine Art und Weise aushandeln und durcharbeiten, die für alle beteiligten Parteien dauerhaft und akzeptabel ist.“ Er fügte hinzu, die USA würden „sowohl die geopolitische als auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit“ mit Russland prüfen.

Das Treffen fand auf bilateraler Basis statt, wobei sowohl die Ukraine als auch die Nato-Verbündeten der USA ausgeschlossen waren. Begleitet wurde es von der formellen Forderung der Trump-Regierung, die Ukraine solle die Hälfte ihrer Bodenschätze an die USA abtreten, angeblich als Rückzahlung für die unter der Biden-Regierung erhaltene Militärhilfe.

Niemand sollte sich der Illusion hingeben, die Trump-Regierung würde mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Russland einen Frieden in Europa oder gar in der Welt anstreben. Vielmehr will Trump eine Verlagerung der militärischen Ressourcen weg vom europäischen Kriegsschauplatz hin zur Beherrschung des amerikanischen Kontinents, und er konzentriert sich letztlich auf das Hauptziel der militärischen Aggression der USA: China.

Verteidigungsminister Pete Hegseth hat dies letzte Woche in einer Rede vor der Ukraine-Kontaktgruppe, dem wichtigsten Gremium der imperialistischen Mächte für Waffenlieferungen an die Ukraine, deutlich gemacht. „Wichtige strategische Realitäten hindern die Vereinigten Staaten von Amerika daran, sich in erster Linie auf die Sicherheit Europas zu konzentrieren“, sagte er. Und weiter: „Mit den kommunistischen Chinesen haben wir auch einen ebenbürtigen Konkurrenten, der die Fähigkeit und die Absicht hat, unser Heimatland und unsere zentralen nationalen Interessen im Indopazifik zu bedrohen.“

Hegseths Äußerungen spiegeln eine Kritik an Bidens Außenpolitik wider, die in den letzten Jahren von Vertretern wie Elbridge Colby, dem von Trump ausgewählten Unterstaatssekretär für Verteidigungspolitik, geäußert wurde, der eine Neuausrichtung der militärischen Ressourcen der USA auf einen Krieg mit China gefordert hat.

Im Jahr 2024 argumentierte Colby, dass den USA die Ressourcen fehlten, um in beiden Regionen gleichzeitig Krieg zu führen. Er erklärte: „Amerika muss der Realität ins Auge sehen und China den Vorrang vor Europa geben.“ Er nannte es „strategische Prioritätensetzung: sich mit der Realität der Knappheit und der Notwendigkeit harter Entscheidungen auseinandersetzen und Ressourcen und Willenskraft dort konzentrieren, wo Amerikas wichtigste Interessen gefährdet sind – in Asien.“

Ein Ziel der Trump-Regierung ist es, die Ukraine in eine Halbkolonie zu verwandeln Zugleich will sie ihre Handelskriegsmaßnahmen gegen die europäischen Mächte verschärfen und sie von der Beute abschneiden.

Bidens Eskalation des Ukraine-Kriegs hatte zur Folge, dass die europäischen Mächte wirtschaftlich geschwächt und von Öl- und Gasimporten aus den Vereinigten Staaten abhängig wurden – eine Politik, die ihren aggressivsten Ausdruck in der Zerstörung der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream II durch die USA fand.

Bei der Umsetzung seines Kurswechsels verzichtet Trump auf die Lügen, mit denen die Regierung Biden den Krieg der USA gegen Russland in der Ukraine noch gerechtfertigt hatte. Am Mittwoch behauptete Trump, die Ukraine habe den Krieg mit Russland „begonnen“, und beschuldigte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wie ein „Diktator“ zu regieren.

Trumps Äußerungen lösten einen Aufschrei der Empörung bei Politikern der Demokraten und den US-Medien aus. Seit Jahren propagieren sie wie ein Dogma die Behauptung der Regierung Biden, die russische Invasion von 2022 sei ein „unprovozierter Krieg“ gewesen, dessen einzige Ursache in der Psyche des russischen Präsidenten zu finden sei.

„Es war eine eklatante Verzerrung der Realität“, schrieb die New York Times. Selenskyj „und sein Land wurden angegriffen, und erst dann reagierten die Vereinigten Staaten unter Präsident Joseph R. Biden Jr. mit umfangreicher finanzieller Unterstützung.“

Dieses Narrativ vom „unprovozierten Krieg“ ist ein Betrug. Die Ukraine hat die Invasion mit Unterstützung der USA provoziert, indem sie 2021 ihre Absicht, die Krim mit militärischer Gewalt zurück zu erobern, zur Staatsdoktrin erhob und ihre Bemühungen um einen Beitritt zum Nato-Bündnis beschleunigte. Nach dem Putsch in der Ukraine 2014 haben die USA und die Nato-Mächte Milliarden von Dollar in das Land gepumpt, um das Militär aufzurüsten. Biden weitete diese Operationen gleich nach seinem Amtsantritt aus, um eine russische Invasion zu provozieren.

Trump lügt allerdings, wenn er behauptet, die Ukraine habe Biden „an der Nase herumgeführt.“ Nicht die Ukraine hat die Nato-Mächte benutzt, sondern die Nato-Mächte haben die Ukraine benutzt. Jahrelang hat die Nato einen „Kampf bis zum letzten Ukrainer“ gefordert, in der Hoffnung, Russland damit zu schwächen.

Trumps Kurswechsel in der US-Politik gegenüber der Ukraine ist die einzige Maßnahme seiner Präsidentschaft, die bisher nennenswerten politischen Widerstand innerhalb der Demokratischen Partei und der ihr nahestehenden Medien ausgelöst hat.

„Dienstag war ein dunkler Tag für die Vereinigten Staaten“, erklärte der Kolumnist der Washington Post, David Ignatius. Er verlor keine solche Worte, um Trumps Maßnahmen zu beschreiben, die Vereinigten Staaten in eine Diktatur zu verwandeln, Zehntausende von Bundesbediensteten zu entlassen oder die Ausgaben für Sozialleistungen zu kürzen. Ignatius räumte sogar ein: „Normalerweise ignoriere ich die alltägliche Detonation des Präsidenten. Aber dieses Mal war es anders.“

Es ist deshalb „anders“, weil es um entscheidende geostrategische Interessen des amerikanischen Imperialismus geht, über die erhebliche Meinungsverschiedenheiten herrschen. Die vorherrschenden Fraktionen des politischen Establishments, und zwar nicht nur die Demokraten, befürchten, dass Trump – indem er dem Krieg in der Ukraine keine Priorität einräumt und Russland effektiv Boden überlässt – den Einfluss der USA in Eurasien untergräbt, den sie als entscheidend für die Unterminierung Chinas ansehen.

Das Wall Street Journal, das ansonsten alle illegalen Handlungen Trumps bejubelt hat, prangerte ihn offen für das an, was es einen Verrat in der Ukraine nennt. In einem Leitartikel vom Mittwoch mit dem Titel „Trump neigt zu einem Ausverkauf der Ukraine“ schrieb das Journal:

Die USA haben ein großes Interesse daran, Herrn Putin einen neuen Sitz an einem größeren Teil der NATO-Grenze zu verwehren, was der eigentliche Grund dafür ist, dass Amerika Recht damit hatte, die Ukraine aufzurüsten. Ein Abkommen, das auf eine ukrainische Kapitulation hinausläuft, wäre ein Schlag für die amerikanische Macht, der auf den Pazifik und den Nahen Osten ausstrahlen würde. Es wäre das Gegenteil von Herrn Trumps Versprechen, ein goldenes Zeitalter des amerikanischen Prestiges und der Ruhe in der Welt wiederherzustellen.

Im Jahr 2008 erklärte die Bush-Regierung, dass die Ukraine Mitglied der Nato „werden wird.“ Seitdem hat der US-Imperialismus über vier Regierungen hinweg, unter Republikanern und Demokraten, enorme Ressourcen aufgewendet, um die Ukraine in eine Speerspitze für die Osterweiterung der Nato zu verwandeln, die darauf abzielt, Russland zu schwächen, indem sie es in einen blutigen Krieg an seinen westlichen Grenzen hineinzieht.

Trumps außenpolitischer Kurswechsel spiegelt die Realität wider, dass diese Politik das Ziel, Russland eine „strategische Niederlage“ zuzufügen, nicht erreicht hat. Die vorherrschenden Fraktionen des politischen Establishments befürchten jedoch, dass ein Rückzug aus der Ukraine ein Eingeständnis des Scheiterns wäre, mit verheerenden Folgen nicht nur für das Nato-Bündnis, sondern auch für die globale Stellung des amerikanischen Imperialismus. Darüber hinaus befürchten sie, dass eine Entfremdung der Nato-Verbündeten von den Vereinigten Staaten dazu führen könnte, dass diese ihre eigenen, von den USA unabhängigen Bündnisse eingehen, einschließlich der Suche nach Alternativen zum Dollar, was negative Folgen für die Fähigkeit des US-Imperialismus hätte, China entgegenzutreten.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 hat die rücksichtslose Eskalation des Ukraine-Kriegs durch die Biden-Regierung es Trump ermöglicht, sich als jemanden darzustellen, der Frieden sucht. Unter Bedingungen, in denen der Krieg der USA gegen Russland außerhalb der sozialen Basis der Demokratischen Partei in der wohlhabenden oberen Mittelschicht keine breite Unterstützung in der Bevölkerung fand, spielte Trumps Selbstdarstellung als Kriegsgegner auch eine Rolle bei seinem Wahlsieg.

In Wirklichkeit widmet sich die Trump-Regierung der globalen Kriegsführung in großem Stil. In seinem ersten Monat im Amt hat Trump seine Absicht erklärt, Grönland und den Panamakanal mit militärischer Gewalt zu erobern, Kanada durch wirtschaftlichen Zwang zu annektieren und den Gazastreifen ethnisch zu säubern und zu einem amerikanischen Protektorat zu machen.

Diese Pläne für Krieg und koloniale Herrschaft sollen durch Trumps massiven Angriff auf die Bundesbediensteten und die laufenden Bemühungen finanziert werden, Sozialprogramme zu kürzen und die Arbeiterklasse zu verarmen, angeführt von Elon Musks Abteilung für Regierungseffizienz (DOGE).

Wie sich die Situation entwickelt, bleibt ungewiss. Jede Vereinbarung zwischen Trump und Putin über die Ukraine wird nur so lange Bestand haben, wie sie den Interessen der Trump-Regierung und der von ihr vertretenen Fraktionen der herrschenden Klasse dient. Der Krieg in der Ukraine ist zudem nur ein Teil eines globalen Konflikts, der an mehreren Fronten eskaliert. Unabhängig von den taktischen Differenzen innerhalb der herrschenden Klasse sind alle Fraktionen dem Einsatz militärischer Gewalt zur Sicherung der amerikanischen imperialistischen Vorherrschaft verpflichtet.

Die Arbeiterklasse muss erkennen, dass der Kampf gegen den Krieg untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische System, das ihn produziert, verbunden ist. Eine Bewegung gegen den Imperialismus muss sich auf die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter über nationale Grenzen hinweg stützen, bewaffnet mit einem sozialistischen Programm zur Beendigung von Krieg, Ausbeutung und Diktatur.