IG Metall-Aktionstag: ein nationalistisches Spektakel für den Kriegskurs in Berlin

Am 15. März hielt die IG Metall dezentral in fünf Städten einen bundesweiten Aktionstag ab. Die langfristig angekündigte Veranstaltung fiel genau auf den Tag nach der Einigung von Union, SPD und Grünen auf ein gewaltiges Kriegsprogramm. Was als „Weckruf für sichere Arbeit“ und Protest gegen Industrieabbau angekündigt war, geriet zum nationalistischen Spektakel und zum Bekenntnis der IGM-Spitze für den Kriegskurs in Berlin.

Die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner (SPD), die in Hannover sprach, stellte sich ausdrücklich hinter die Berliner Pläne für ein kreditfinanziertes Sondervermögen. „Es ist gut, dass die Politik gezeigt hat, dass sie verstanden haben,“ sagte Benner. Jetzt müssten „alle politischen Kräfte Verantwortung übernehmen, damit dieses zentrale Vorhaben nicht scheitert“.

Ähnlich äußerte sich auch Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall, der in Stuttgart die Hauptrede hielt. „Die Politik ist aufgewacht, hat den Ernst der Lage erkannt und die richtige Richtung eingeschlagen,“ sagte Kerner.

Überall priesen die Gewerkschaftsführer das Lockern der Schuldenbremse und hielten nationalistische Reden zur Unterstützung der heimischen Industrie. Diese brauche jetzt vor allem „einen bezahlbaren Energiepreis“, forderten sie, und dies müsse „die Politik jetzt liefern“.

IGM–Kundgebung in Stuttgart am 15. März 2025

Nirgendwo sah man IGM–Transparente gegen Aufrüstung und Krieg. Kein einziger IG Metall-Sprecher kritisierte von der Bühne herab den Rüstungswahnsinn, der bis zu einer Billion Euro verschlingen wird, um die Bundeswehr aufzurüsten und die Infrastruktur „kriegstüchtig“ zu machen.

In Stuttgart wurde einer Person, die ein Schild mit der Aufschrift „Nein zum Krieg“ und „Geschichte wiederholt sich“ trug, die Teilnahme an der Veranstaltung mithilfe der Polizei verweigert – ein symbolischer Vorfall, der die Verwandlung der IG Metall in ein Kontrollorgan des Staates und der Konzerne über die Arbeiter veranschaulicht.

Die IG Metall hatte Sonderzüge und mehrere hundert Busse gechartert, um ihre Bürokraten, Vertrauensleute und Betriebsräte mitsamt einigen Arbeiterinnen und Arbeitern aus den Betrieben zu den Veranstaltungen zu bringen. Schon unterwegs wurden sie mit ausreichend Bier, Trillerpfeifen und IG Metall-Westen und -Schals versorgt und eingestimmt.

Laut Angaben der Gewerkschaft sollen es im Ganzen rund 81.000 Teilnehmer von IG Metall und IG BCE gewesen sein, nämlich in Stuttgart 25.000, in Köln 23.000, in Frankfurt am Main 12.000, in Leipzig 12.000 und in Hannover 9.000. Diese Zahlen waren wohl um einiges übertrieben. So schätzten unsere Reporter in Leipzig die Teilnehmerzahl auf maximal 5.000, und auch in Köln waren es wohl deutlich weniger als angegeben. Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, dass es in der Metall- und Elektroindustrie Deutschlands rund 3,9 Millionen Beschäftigte gibt.

IGM–Kundgebung in Köln am 15. März 2025

Auf der Deutzer Werft in Köln sprachen die Betriebsratsvorsitzenden von Ford, Thyssenkrupp und den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM). Da diese Betriebe allesamt von Massenentlassungen bedroht sind, versuchten die Redner, Nationalismus und Standortpolitik zu verbreiten. Im Stile Donald Trumps forderte die IG Metall-Hauptkassiererin Nadine Boguslawski (an chinesische Hersteller gerichtet), wer in Deutschland Autos verkaufen wolle, solle bitteschön auch in Deutschland Arbeitsplätze schaffen.

Je weiter man jedoch von den gewerkschaftlichen Jubeltruppen an der Bühne weg kam, desto deutlicher zeigte sich eine ganz andere Stimmung. Die häufigste Reaktion auf die 1 Billion Euro Kriegskredite bestand in dem Satz: „Die sind doch wahnsinnig in Berlin.“

Cem, ein Metallarbeiter aus Neuss, warf die Frage auf: „Von welcher Gefahr sprechen die?“ Er fühle sich vor allem durch die Aufrüstung selbst bedroht. „Jetzt sollen bei VW wieder Rüstungsgüter produziert werden, das ist doch verrückt. Mein Arbeitskollege hat schon gesagt: ‚Das hatten wir doch alles schon einmal im Deutschland der 1930er Jahre.‘ Sowas muss doch verhindert werden!“

Zwei Thyssenkrupp-Stahlarbeiter aus Duisburg blickten skeptisch in die nahe Zukunft: „Ich bin schon vierzig Jahre bei Thyssen“, sagte der erste. „Früher hatten wir noch große Kämpfe, aber die IG Metall holt doch schon lange nichts mehr für uns raus. Die haben das Vertrauen der Kollegen völlig verloren.“ Deshalb seien die meisten jungen Kollegen gar nicht mitgekommen.

Beide Arbeiter schätzten die Lage bedrohlich ein. Man habe bei Thyssen schon oft Entlassungen miterlebt, aber: „Heute ist es etwas Anderes.“ Der jüngere Kollege wies auf den Stellenabbau bei den Ford-Werken, in der Stahlsparte, bei VW und in der Chemie hin und sagte, er selbst habe als Leiharbeiter bei Thyssenkrupp angefangen. „Wir wissen nicht einmal, ob wir noch eine Rente kriegen.“

Beide Arbeiter waren interessiert an dem Konzept, international vernetzte Aktionskomitees unter direkter Kontrolle der Arbeiter aufzubauen, und einer sagte: „Wir müssen alle zusammen kämpfen.“ Beide sprachen sich gegen die Aufrüstung und Kriegspolitik der Regierung aus. „Jetzt steht die deutsche Bundeswehr sogar schon in Litauen“, sagte der eine. „Und wenn man sieht, wie Rheinmetall Gewinne macht, dann ist das wirklich nur noch krank.“

Dino, Murat und Raffaele von Thyssenkrupp Stahl in Kreuztal-Ferndorf

Dino, Murat und Raffaele arbeiten bei Thyssenkrupp Stahl in Kreuztal-Ferndorf. Ihr Werk, so berichteten sie, sei eng mit dem Thyssenkrupp Standort in Kreuztal-Eichen verbunden, das 2026 schließen soll. Die drei können sich nicht vorstellen, dass ihr Standort ohne den in Eichen überleben werde. Sie selbst und die insgesamt 1.000 Kollegen beider Standorte könnten Opfer des geplanten Stellenabbaus von 11.000 Arbeitsplätzen bei Thyssenkrupp Stahl werden.

Dino wies darauf hin, dass die profitable Rüstungssparte TK Marine Systems verkauft werden soll, und er sagte, eine weitere Zerstückelung des Gesamtkonzerns drohe die ganze Stahlsparte zu zerstören. „Es ist wichtig, dass der Konzern zusammenbleibt“, sagte er. Als der nordrhein-westfälische IGM-Bezirksleiter Knut Giesler die Bühne betrat und das Wort ergriff, kommentierte Murat dies mit den Worten: „Das ist doch der, der uns versprochen hat, dass das Werk in Eichen nicht geschlossen werde. Sein Versprechen hat er nicht gehalten.“

IGM–Demonstration in Frankfurt am Main am 15. März 2025

Auch am Rande der Frankfurter Kundgebung, an der Delegationen aus dem Rhein-Main-Gebiet, Nordhessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland teilnahmen, waren viele mit dem Kriegskurs nicht einverstanden.

So wie Bendix, ein junger Chemiearbeiter aus dem Industriepark Höchst. Er ist vollkommen gegen die Aufrüstung, weil er gegen Krieg und Faschismus ist, wie er erklärte. Er interessiere sich sehr für Geschichte, insbesondere für die Geschichte der IG Farben. Bendix berichtete besorgt, er finde immer wieder Spuren der Nazi-Vergangenheit, die wiederauflebt.

Auch Andreas, ein älterer IG Metaller aus Mannheim, erinnerte sich: „Vor 30 Jahren haben wir uns in der Gewerkschaft für die Konvertion der Rüstungsbetriebe in zivile Produktionsbetriebe eingesetzt. Heute wird genau das Gegenteil gemacht.“ Er selbst habe noch den Dienst verweigert. Er erklärte, dass er im Schienenfahrzeugbau arbeite. Zu derselben Gruppe (Bombardier Alstom) gehöre auch das Werk in Görlitz, das gerade an einen Rüstungsbetrieb verkauft worden sei.

Dazu sagt Andreas: „Diese Umwandlung muss für die Kollegen doch schrecklich sein. Für mich wäre es das jedenfalls. Die Waffen werden doch irgendwann zum Einsatz kommen.“ Auch das Arbeitsplatzargument sei brüchig, fuhr er fort: „In Görlitz werden nur 300 oder 400 von 800 Arbeitern übernommen, also ist es nicht einmal für die Arbeitsplätze gut. Der Betrieb in Görlitz bestand seit 175 Jahren, unser Betrieb in Mannheim seit 110 Jahren.“

Kevyn, Stahlarbeiter bei Saarstahl in Völklingen

Kevyn, seit 2010 bei Saarstahl in Völklingen, erklärte, er sei hergekommen, „weil ich einfach mal klar sehen möchte, wohin die Reise geht. Im Saarland bauen alle Metallbetriebe Leute ab, und alle Arbeiter haben Existenzängste. Die Nummer eins ist immer der Profit, aber der Mensch kommt erst zuletzt.“ Die Pläne von Union und SPD in Berlin betrachte er mit Sorge. „Niemand will Krieg haben. Und Merz hat uns gerade noch gefehlt.“ Er berichtete, dass der Stahl bisher auch an die russische Industrie geliefert worden sei. Er finde es falsch, der Ukraine, wie von Merz gefordert, Taurus-Marschflugkörper zu liefern.

„Bei den Wahlen wusste ich diesmal nicht, was ich wählen sollte. Hinter keiner Partei konnte ich richtig dahinter stehen“ fuhr Kevyn fort. „Es muss doch möglich sein, die Wirtschaft und den Menschen zusammenzubringen. Aber der Mensch bleibt immer auf der Strecke.“

In Stuttgart sagte Stephan, der bei Bosch arbeitet, er sei früher Mitglied der Grünen gewesen, aber vor fünf Jahren ausgetreten, denn: „Die Grünen sind überhaupt nicht mehr anders als die anderen Parteien. Früher haben sie sich gegen Krieg und für die Umwelt und für Flüchtlinge ausgesprochen. Aber jetzt ist von dem, was sie sagen, für mich nichts mehr akzeptabel.“

Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei schlagen vor, dass sich die Metallarbeiter unabhängig von der IG Metall zusammenzuschließen und in den Betrieben Aktionskomitees aufbauen, die sich international und auf sozialistischer Grundlage vernetzen. Meldet euch dafür über unsere WhatsApp Nummer +49 163-3378 340 oder registriert euch gleich hier über das Formular unter diesem Artikel!