International Committee of the Fourth International
Fourth International Volume 14 No. 1

Einleitung

Michael Banda, ehemaliger Generalsekretär der Workers Revolutionary Party und engster Mitarbeiter ihres Gründers und langjährigen Führers, Gerry Healy, trat am 8. November 1986 auf einer öffentlichen Veranstaltung einer britischen stalinistischen Gruppe in London auf und ließ einen hasserfüllten Angriff gegen die Vierte Internationale und Leo Trotzki selbst vom Stapel. Kurz darauf verbreitete Banda ein neues Dokument, „Der wirkliche Leo Trotzki möge sich bitte erheben“ – die Fortsetzung seiner berüchtigten „27 Gründe, das Internationale Komitee sofort zu begraben“ –, in dem er den gesamten Kampf der trotzkistischen Bewegung gegen den Stalinismus seit 1928 denunzierte, Stalin als „proletarischen Bonaparte“ und Verteidiger der Errungenschaften der Oktoberrevolution pries, die Perspektive der politischen Revolution als konterrevolutionär verteufelte und sich zum Anhänger Michail Gorbatschows erklärte.

Dieses Ereignis ist von enormer Bedeutung für die trotzkistische Weltbewegung und für jeden, der die politischen Entwicklungen in der Workers Revolutionary Party, die einst die britische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale war, verfolgen und verstehen will. Bandas Entwicklung ist nicht nur die größte Bestätigung des Kampfes, den das IKVI gegen die WRP-Renegaten geführt hat, sondern auch das vernichtendste politische Urteil gegen Healy und Slaughter.

Healy, völlig gelähmt angesichts des beispiellosen Verrats seines Schützlings – wer hat je Jahrzehnte in der Führung der trotzkistischen Bewegung verbracht und ist dann ohne Umwege in das Lager des Stalinismus gewechselt? – und unfähig, auch nur den Schatten einer Analyse zu liefern, schrieb diesen Verrat objektiven Kräften zu, deren Entwicklung er weder vorhersah, noch erkannte, noch bekämpfte. In einem verzweifelten Versuch, Healy von jeder Schuld freizusprechen, hat sein Jünger Ray Athow jetzt ergebenst erklärt, Bandas politischer Werdegang habe nichts mit seinen politischen Positionen aus der Zeit zu tun, als er Healys engster politischer Verbündeter war.

Laut Athows Artikel in der Zeitung News Line vom 11. Dezember 1986 „war die Quelle dieser Entwicklung nicht ein programmatischer Gegensatz, sondern die Gesetze der Revolution und Bandas Opposition dagegen“. Eine wahrlich scharfsinnige Entdeckung hat Healys „Praxis der Erkenntnis“ da gezeitigt! Athows pseudo-dialektische Methode widerspricht direkt Trotzki, der Folgendes über die Entwicklung der Stalin- Fraktion in der sowjetischen kommunistischen Partei schrieb: „Versuche, diese mit ‚wechselnden Umständen‘ zu erklären, sind offensichtlich haltlos. Führen heißt, wenigstens in gewissem Grade voraussehen.“

Nachdem Healy jahrelang in Zusammenarbeit mit Banda die trotzkistischen Fundamente des IKVI zu untergraben versucht hatte, muss er Bandas Abtrünnigkeit nackten objektiven Kräften zuschreiben, um seine eigenen Spuren zu verwischen. Es ist bemerkenswert, dass Healy, obwohl er nach dem Oktober 1985 reichlich Lärm schlug über Bandas Kapitulation vor konterrevolutionären Kräften, keine einzige politische Differenz zwischen ihm und Banda vor der Oktober-Krise nennen kann. In News Line vom 8. Februar 1986 schrieb Healy sogar: „In den 35 Jahren unserer politischen Zusammenarbeit äußerte er gelegentlich Meinungsverschiedenheiten, stimmte aber politisch mit allen wichtigen Entscheidungen von Konferenzen und den beinahe zahllosen Sitzungen des Zentralkomitees und des Politischen Komitees in dieser langen Zeit überein.“

In einer noch jüngeren Nummer der News Line, am 23. Dezember 1986, überhäufte er – offenbar immer noch in der Hoffnung, alles wieder kitten zu können – Banda sogar mit Lob, er habe „gewaltig zum Aufbau der Workers Revolutionary Party und des IKVI“ beigetragen, „in den besten Traditionen des historischen Materialismus“.

Die von Slaughter geführte Fraktion der Workers Revolutionary Party ist gleichermaßen unfähig, Bandas politische Entwicklung zu erklären. Slaughter, vergleichbar mit dem Mann, der eine Medaille für die richtige „Prophezeiung der Vergangenheit“ gewann, stellt die Frage „Wohin geht Banda?“ erst, nachdem dieser sein konterrevolutionäres Ziel schon erreicht hat. (Workers Press, 29. November 1986)

In seinem durch und durch unaufrichtigen Artikel versucht Slaughter, die Geschichte im Sinne seiner fraktionistischen Zwecke zu verdrehen. Er schreibt:

„In den vier Monaten, seit Banda erstmals Differenzen mit den WRP-Genossen äußerte, die gegen Healy und North kämpften, hat er [Banda] zweifellos einen weiten Weg zurückgelegt, obwohl einige seiner Positionen (wie Bewunderung für Mao und Unterstützung der Kulturrevolution in China) schon in seiner trotzkistischen Zeit vorhanden waren.“

Was Slaughter seinen Lesern verschweigt, ist, dass Bandas Bruch mit dem Trotzkismus bereits in den „27 Gründen“ vollzogen war. Schon zwei Wochen nach der Veröffentlichung dieses Dokuments schrieb David North, der Sekretär der Workers League, es bedeute „die vollständige Zurückweisung der gesamten politischen, theoretischen, programmatischen und historischen Grundlagen der Vierten Internationale“. (David North: Die Hintergründe der Spaltung in der Workers Revolutionary Party, in: Vierte Internationale, Jg. 13, Nr. 2, S. 149)

Slaughter dagegen unterstützte Bandas „27 Gründe“ und benutzte sie als politische Plattform für die Spaltung der WRP vom Internationalen Komitee im Februar 1986. Der Bruch mit dem IK war Slaughters wichtigstes Anliegen. Trotz der offen pro-stalinistischen Positionen in den „27 Gründen“ schickte Slaughter einen dringenden Appell an Bandas Bruder, datiert vom 2. Februar 1986, in dem er erklärte: „Es wäre kriminell kurzsichtig, nicht all unsere Kräfte“ gegen das IK zu richten, „um in einem gemeinsamen Kampf die Spaltung in der Partei zu vertiefen“ – womit er den Ausschluss der Minderheit in der Workers Revolutionary Party meinte, die das Internationale Komitee unterstützte.

Während Slaughter die Spaltung vom Internationalen Komitee vorbereitete und die dafür erforderliche fraktionelle Hysterie schürte, denunzierte er wütend North, weil dieser der WRP-Mitgliedschaft auf einer außerordentlichen Konferenz am 26./27. Oktober 1985 berichtet hatte, welche Rolle Banda in der politischen Degeneration der britischen Sektion gespielt hatte. Nicht genug, dass er die Cliquenbeziehungen in der ehemaligen WRP-Führung rationalisierte, er sprach Banda auch von jeder politischen Verantwortung dafür frei, dass sie das trotzkistische Programm aufgegeben hatte – indem er behauptete, allein Healy könne für den opportunistischen Angriff auf die Theorie der Permanenten Revolution verantwortlich gemacht werden. Laut Slaughter leisteten er selbst und Banda „positive und theoretische Arbeit“, die aus unerfindlichen Gründen „mehr und mehr von der wirklichen Durchführung der Arbeit des IK, der WRP und der News Line getrennt wurde, die direkt von G. Healy von seinem Londoner Büro oder der Schule in Parwich geleitet worden ist.“ (ebd. S. 63). Dies ist die Geschichtstheorie „Stalin ist an allem Schuld“!

Was die „Erklärungen“ von Slaughter und Healy besonders kennzeichnet, ist der Versuch zu vertuschen, dass Banda seine Positionen über viele Jahre hinweg in der Workers Revolutionary Party entwickelte, und sie ihn im IKVI gegen Kritik verteidigten, eben gerade weil sie seine Zweifel an Trotzkis Perspektiven teilten.

Während Slaughter behauptet hat, das ganze IK habe mit Healy eine „gleiche Degeneration“ durchgemacht, zeigen die politischen Dokumente, dass es – obwohl die WRP aufgrund der historischen Rolle der britischen Trotzkisten im Kampf gegen den pablistischen Revisionismus 1953-64 über gewaltige Autorität verfügte – innerhalb des IKVI theoretisch ausformulierte Opposition gegen den wachsenden Opportunismus der britischen Sektion gab. Schon 1968 erhoben die Führer der Revolutionary Communist League in Sri Lanka erstmals Einwände dagegen, dass Banda den Stalinisten politische Zugeständnisse machte, und legten 1971/72 eine ausführliche Kritik gegen seine opportunistische Anpassung an den bürgerlichen Nationalismus vor.

Diese Dokumente über den Befreiungskampf von Bangladesch und den indisch-pakistanischen Krieg von 1971/72 verzeichnen die ersten Versuche der jungen trotzkistischen Kräfte im Internationalen Komitee, den rechten pablistischen Kurs der Führung der britischen Sektion zu bekämpfen. Ursprünglich Polemiken gegen Bandas offen pablistische Positionen, nahmen sie die grundlegenden Fragen vorweg, die Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre aufkamen und 1982-84 von der Workers League eingehend analysiert wurden. Die Fragen, die die RCL 1968 aufbrachte, sind gerade die, von denen schließlich die Spaltung im Internationalen Komitee abhing – d. h. die Theorie der Permanenten Revolution und die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse.

Diese Dokumente widerlegen Slaughters falsche Behauptung, das IKVI sei einfach „von G. Healy dominiert“ und eine Opposition nicht möglich gewesen. In der Politik, in Fragen der Weltpartei der Arbeiterklasse, ist es völlig unmarxistisch, seine Analyse auf klassenneutrale Begriffe wie „Dominierung“ zu begründen, ohne den Klasseninhalt und politischen Inhalt dieser „Dominierung“ zu benennen. Nachdem er vor dem Revisionismus der Mittelklasse kapituliert hat, ist Slaughter unfähig, irgendeine politische Erscheinung in Klassenbegriffen zu analysieren. Aber die überlieferten Dokumente sprechen ganz klar gegen Slaughter. Healy übte seine „Dominierung“ mittels einer prinzipienlosen Clique aus, deren bloße Existenz bereits die Degeneration der WRP-Politik widerspiegelte und beschleunigte. Es stimmt, dass die politische Homogenität des IKVI untergraben wurde, seit die britische Sektion von den frühen siebziger Jahren an ständig weiter in das Lager des Revisionismus abdriftete. Aber aus Gründen der historischen Entstehung des Internationalen Komitees führten die Verrätereien der WRP nicht, wie Slaughter heute weismachen will, zu gleicher Degeneration und Verfall in allen Sektionen des IKVI.

Die Gründung der Workers League und der RCL war ein direktes Ergebnis des politischen und theoretischen Kampfes der SLL (mit Unterstützung der französischen OCI) gegen die „Wiedervereinigung“ von SWP und Pablisten 1961-63 und gegen den Eintritt der Lanka Sama Samaja Party in eine bürgerliche Koalitionsregierung 1964. In dem Maße, wie die Workers League und die RCL – neben weiteren Sektionen in Deutschland und Australien, die auf der Grundlage der Prinzipien und des Programms gegründet wurden, die das IKVI verteidigte – bewusst danach strebten, ihre politische Linie auf die Lehren aus der Spaltung 1961-64 zu gründen, nahm ihre innere Entwicklung einen ganz anderen Verlauf als die der Workers Revolutionary Party.

Zum Beispiel führte der Kampf der Workers League gegen Wohlforths Desertion zur Socialist Workers Party 1974-76 zu einer Erneuerung des Kampfes gegen den Pablismus und zu einer Auffrischung der Lehren daraus. Aber gerade zur selben Zeit führte die zunehmende Anpassung an den Klassendruck innerhalb Großbritanniens dazu, dass sich die WRP immer mehr vom Kampf gegen den Revisionismus abwandte und direkt in den Opportunismus hinein steuerte. Hier liegen die Ursachen für den Ausbruch des offenen Konflikts zwischen der Workers League und der Workers Revolutionary Party. Die führende Rolle der WRP innerhalb des IKVI war also nicht so widerspruchslos wie Slaughter sie darstellt. Gerade die Prinzipien, auf denen die Autorität der WRP innerhalb des IKVI beruhte, führten schließlich zu der politischen Rebellion gegen die Verrätereien von Healy, Banda und Slaughter. Auch wenn es sich Mitglieder der WRP kaum vorstellen können, es gibt tatsächlich eine Welt jenseits der britischen Inseln. Die Sektionen des Internationalen Komitees waren nicht einfach Anhängsel der Workers Revolutionary Party, sondern bildeten ihre eigenen Führungen heraus und lernten ihre eigenen Lehren, während sie im Klassenkampf ihrer Länder lebten und kämpften.

Um den Charakter der Spaltung innerhalb des IKVI zu verstehen, lohnt sich die Mühe, noch einmal einige der entscheidenden Fragen zu untersuchen, um die es im Kampf gegen den pablistischen Revisionismus innerhalb der Vierten Internationale ging. Unter Zentristen gilt es heute als schicklich, die Begriffe „Revisionismus“ oder „Pablismus“ als terminologische Monstren oder politische Brunnenvergiftung abzulehnen. Renegaten wie Cyril Smith, der Slaughters Fraktion angehört, erzählen heute ihren neuen revisionistischen Freunden zu später Stunde gern Gruselgeschichten über die Schrecken der alten Tage, als die „sektiererische“ WRP von „Pablismus“ sprach.

Aber in der Epoche des todgeweihten Kapitalismus stützt sich der Imperialismus nicht nur auf die sozialdemokratischen und stalinistischen Bürokratien in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und den degenerierten und deformierten Arbeiterstaaten. In den rückständigen Ländern, wo die nationale Bourgeoisie besonders schwach ist, hängt die Existenz des Imperialismus entscheidend davon ab, dass die politischen Vertreter der radikalisierten Mittelklassen der unabhängigen Bewegung des Proletariats die Spitze brechen. 1961 bis 1963, als die amerikanische SWP ihre Wiedervereinigung mit den Pablisten vollendete, erkannten die britischen Trotzkisten von der Socialist Labour League (Vorläuferorganisation der WRP) den objektiven Zusammenhang zwischen dieser Abhängigkeit des Imperialismus von kleinbürgerlichen Schichten in den rückständigen Ländern und den neuen Theorien des Revisionismus und stellte daher die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse sicher. Sie bekämpfte diejenigen, die vor dem Radikalismus der Mittelklasse in die Knie gingen und ihn als neues historisches Instrument zur Abschaffung des imperialistischen Systems anpriesen. Gegen diese Apologeten des Kleinbürgertums richtete die SLL folgende Analyse:

Die Rolle und Ideologie der falschen Führer der Arbeiterklasse entsprechen den objektiven Bedürfnissen des Imperialismus in seiner heutigen Entwicklungsphase. Die Opportunisten aller Schattierungen stützen sich heute nicht nur auf die Arbeiteraristokratien einiger weniger fortgeschrittener Länder, sondern auch auf neue Schichten der Weltbevölkerung unter dem modernen staatsmonopolistischen Kapitalismus mit seinen charakteristischen Beziehungen zur nicht-kapitalistischen Welt. In den fortgeschrittenen Ländern gab es eine gigantische Konzentration des Industrie-und Finanzkapitals, eine Militarisierung und Bürokratisierung der Wirtschaft und des Staates, zunehmende Abhängigkeit der Wirtschaft von staatlichen Eingriffen, und in der Folge entstand eine neue Mittelschicht aus leitenden Angestellten, Verwaltungsangestellten und Bürokraten der großen Banken und Monopole, des Staates, des Militär- und Sicherheitsapparates, der ,sozialen Dienste und der Institutionen zur Manipulierung der öffentlichen Meinung. Diese Mittelschicht kümmert sich getreulich um die internationalen Bedürfnisse des Kapitals.

In den rückständigen Ländern findet sie ihre Entsprechung in den herrschenden kleinbürgerlichen Klassen, denen der Imperialismus die Regierungsgewalt übertragen hat. Die Vereinten Nationen und ihre Agenturen erfüllen die Funktion, übergreifend die politische und ökonomische Stabilität dieses Systems zu Gewähr leisten...

Es gibt also objektive Klassengründe für den Opportunismus in dem jetzigen, kritischen Stadium der Entwicklung des Imperialismus. Der Kampf gegen den Opportunismus ist also nicht einfach ein ideologischer Kampf zwischen verschiedenen Tendenzen in derselben Bewegung. In der gegenwärtigen Situation ist revolutionäres Bewusstsein das entscheidende Element der Veränderung. Es ist gefährlich und irreführend, sich auf die ,objektive Unvermeidbarkeit des Sozialismus zu verlassen, die dann die Opportunisten und die Klassenkräfte hinter ihnen irgendwie zwingen soll, eine ‚progressive Rolle‘ zu spielen. Wirklich progressiv sind nur diejenigen, die die Arbeiterklasse zu einem bewussten Verständnis ihres Wegs zur Macht führen. Ohne einen entschlossenen Kampf gegen jeden Opportunismus ist diese Führung nicht möglich.

Die Vierte Internationale behandelt die Probleme der Bewegung in einzelnen Ländern immer ausgehend von den besonderen Merkmalen unserer imperialistischen Epoche. Die Gesamtinteressen des Imperialismus und des Proletariats bestimmen die Rollen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Tendenzen. Der Weltmarkt des Kapitalismus und die Vorherrschaft des internationalen Finanzkapitals machen es noch dringender, alle Entwicklungen in fortgeschrittenen oder rückständigen Ländern von diesem internationalistischen Standpunkt aus anzugehen. In diesem Gesamtrahmen kann nur die Arbeiterklasse die Lage ändern, und daher betrachten wir jedes Problem vom Standpunkt der internationalen Arbeiterklasse aus. Die Eigenarten der Bewegung und der Entwicklungen in einzelnen Ländern sind nicht Abwandlungen eines Grundtypus, sondern Teile eines Ganzen, deren wirkliche Bedeutung erst in der Weltarena des Kampfes zwischen dem Imperialismus und der Arbeiterklasse deutlich wird. (Labour Review, Winter 1961, S. 90-91)

Der Revisionismus, der die Vierte Internationale nach dem Zweiten Weltkrieg angriff, war also ein Klassenphänomen, das die veränderten politischen Bedürfnisse des Imperialismus ausdrückte. Angesichts der heraufziehenden proletarischen Revolution musste der Imperialismus neuen Schichten der Mittelklasse Aufstiegschancen eröffnen, damit sie die Rolle eines Puffers zwischen seinen eigenen Interessen und denen des Proletariats erfüllten. Der pablistische Revisionismus übersetzte diese grundlegenden Bedürfnisse des Imperialismus und die Klasseninteressen des Kleinbürgertums in die notwendigen theoretischen Formeln, um die Anpassung der trotzkistischen Bewegung an diese Kräfte zu Rechtfertigen. Er leistete der blinden Illusion Vorschub, das Kleinbürgertum könne vermittels seiner Kontrolle über den Staatsapparat den Sozialismus einführen, ohne dass zuvor der bürgerliche Staat durch die proletarische Revolution zerschlagen würde, in der die Arbeiterklasse – nicht dieser oder jener Ersatz aus der Mittelklasse – die entscheidende historische Rolle spielt.

Bereits 1951 wurden die weit reichenden politischen Verallgemeinerungen, die Pablo aus den besonderen Umständen nach dem Sturz des Kapitalismus in Osteuropa ableitete, in programmatische Neuerungen umgearbeitet, deren revisionistischer Inhalt weit darüber hinaus ging, dass der Sieg des Sozialismus von einer nuklearen Katastrophe abhängig gemacht wurde (die Theorie der ,Kriegsrevolution'). Die Idee, es gebe einen Weg zum Sozialismus, der weder von der revolutionären Initiative einer proletarischen Massenbewegung noch vom Aufbau unabhängiger Parteien unter marxistischer Führung abhänge, wurde zur fixen Idee des Pablismus. Die zentrale Achse seiner Revisionen war also nicht einfach seine Bewertung des Stalinismus und der angeblichen Chancen auf dessen „Selbstreform“. Das war nur eines der vielen abstoßenden Gesichter des pablistischen Revisionismus.

Die wesentliche Revision des Pablismus, die ihn für den Imperialismus nützlich macht, ist sein Angriff auf die Grundbegriffe des wissenschaftlichen Sozialismus. Die wissenschaftlich begründete Überzeugung, dass die Befreiung der Arbeiterklasse die Aufgabe der Arbeiterklasse selbst ist, und dass der Aufbau des Sozialismus mit der Diktatur des Proletariats beginnt – wie Marx schon 1851 sagte – wird vom Pablismus direkt bestritten. Seine Theorie des Sozialismus schreibt die entscheidende historische Rolle dem Kleinbürgertum zu. Und während der Pablismus von Zeit zu Zeit formale Bekenntnisse zur Arbeiterklasse ablegt, geht er nie so weit klar zu machen, dass weder der Sturz des Kapitalismus noch der Aufbau des Sozialismus möglich sind, wenn nicht ein beträchtlicher Teil des Proletariats mit hoch entwickeltem sozialistischem Bewusstsein erfüllt ist, geschaffen in den vielen Jahren des Kampfes, die zum Aufbau einer marxistischen Partei erforderlich sind.

Der ungezügelte Opportunismus, der die Taktik der Pablisten seit jeher auszeichnet, folgt unerbittlich aus ihrer Ablehnung der proletarischen Grundlagen des Sozialismus. Der Marxist versteht, dass man der Arbeiterklasse nur dann ein wissenschaftliches Verständnis ihrer langfristigen Aufgaben vermitteln kann, wenn man eine prinzipientreue Linie vertritt. Deswegen bevorzugt er zeitweilige Isolation vor kurzfristigen Erfolgen, die auf Kosten der politischen Aufklärung der Arbeiterklasse erkauft werden. Aber den Pablisten „beengen“ keine solchen Überlegungen. Seine Taktik ist ausgerichtet auf die Unterordnung der Arbeiterklasse unter die jeweiligen nicht-proletarischen Kräfte, die gerade vorübergehend die Massenbewegung dominieren.

Erstmals angewandt wurden Pablos Revisionen, um der sowjetischen Bürokratie eine revolutionäre Rolle zuzuschreiben, aber ihre weiter reichende Bedeutung zeigte sich nach Fidel Castros Machteroberung. Aus Castros radikalen Maßnahmen zogen die Pablisten, inzwischen mit Unterstützung der Socialist Workers Party, die Schlussfolgerung, in Kuba sei ein Arbeiterstaat geschaffen worden. Was die Pablisten anging, so war es durch dieses Ereignis gerechtfertigt, den Kampf für den Sozialismus formal zu trennen von den historischen Bemühungen der trotzkistischen Bewegung, die Krise der proletarischen Führung zu lösen und die Weltpartei der Sozialistischen Revolution aufzubauen.

Angeblich war eine ,neue Weltrealitätʻ hereingebrochen, in der man den Kapitalismus auch ohne unabhängige Mobilisierung des Proletariats und ohne marxistische Massenpartei stürzen könne. Arbeiterstaaten konnten entstehen, ohne dass es irgendwelche demokratischen Organe der Arbeitermacht gab. Mit dieser modernen, schnittigen Herangehensweise wurde alles über Bord geworfen, was Lenin je über den Staat und die universelle historische Bedeutung von Sowjets geschrieben hatte. Stattdessen wurde die Verstaatlichung in den Rang des wesentlichen und entscheidenden Kriteriums für den Klassencharakter des Staats erhoben, ganz unabhängig von seinen historischen Ursprüngen und gesellschaftlichen Grundlagen. Es war also nicht länger notwendig, für eine klare Klassenlinie zu kämpfen, um der Arbeiterklasse die Führungsrolle im revolutionären Kampf gegen den Imperialismus und seine nationalen Agenten vor Ort zu sichern. Castro, so behaupteten die Pablisten, habe „bewiesen“, dass die historischen Aufgaben, die früher nur dem Proletariat zukamen, jetzt von einer Hand voll bewaffneter Guerilleros erfüllt werden konnten.

Der Kampf, den die SLL über die Kuba-Frage gegen diese Perversion des Marxismus führte, war unerlässlich zur Verteidigung der theoretischen und politischen Grundlagen der proletarischen Partei, besonders in den zurückgebliebenen Ländern. Alle, die sich in dieser Auseinandersetzung auf die Seite von Hansen und Mandel stellten, traten in der einen oder anderen Form dafür ein, in den rückständigen Ländern die historischen Aufgaben des Proletariats an die kleinbürgerlichen Nationalisten abzutreten, die, wenn ihre programmatischen Improvisationen auch noch so radikal klingen, in letzter Analyse nur das letzte Hindernis sind, das der Imperialismus der sozialistischen Revolution in den Weg legt.

Das Internationale Komitee konnte den Marxismus nur entwickeln, indem es gegen den Druck ankämpfte, den der Imperialismus in seinem Versuch, sich mit Hilfe der Mittelklassen zu stabilisieren, ausübte – und musste dabei ständig die revolutionären Aufgaben des Proletariats neu definieren und zu jeder Zeit die unabhängige Rolle seiner Sektionen sicherstellen. Die historischen Implikationen dieses Kampfes für der Trotzkismus gegen den „im Trend liegenden“ Opportunismus der Pablisten zeigten sich deutlich im Juni 1964, als die Sektion der Pablisten in Sri Lanka, die LSSP, in die bürgerliche Koalition unter Frau Bandaranaike eintrat. Bei allen politischen Unterschieden zwischen Castro und Bandaranaike gab es einen organischen Zusammenhang zwischen den politischen Standpunkten, aufgrund derer die LSSP zum einen in das Loblied der SWP auf Kuba als Arbeiterstaat einstimmte, und kurz darauf in eine bürgerliche Regierung der „nationalen Aussöhnung“ eintrat. Beide politischen Standpunkte folgten aus dem Aufgeben des Kampfes, die vollständige Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von allen Teilen der nationalen Bourgeoisie herzustellen.

In den Jahren nach der Spaltung mit der Socialist Workers Party, insbesondere nach dem Dritten Weltkongress des IKVI im April 1966, mehrten sich die Anzeichen, dass sich die Führung der britischen Sektion (die damals Socialist Labour League hieß) von den unversöhnlichen und prinzipiellen Positionen zurückzog, die sie im Kampf gegen die pablistische Wiedervereinigung von 1963 bezogen hatte. Hinter dieser Entwicklung stand das Anwachsen der Protestbewegung in Europa, durch das eine große Menge kleinbürgerlicher Elemente in die radikale und linke Politik kamen. Ihre teils sentimentale Glorifizierung des Kampfes der vietnamesischen NLF gegen den amerikanischen Imperialismus und des arabischen Nationalismus gegen den reaktionären Zionismus, ebenso ihre Vernarrtheit in die chinesische Kulturrevolution, ging einher mit andauerndem Skeptizismus gegenüber den revolutionären Fähigkeiten der Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren – ein Skeptizismus, der noch verstärkt wurde durch den Verrat der Stalinisten im Mai/Juni-Aufstand 1968 in Frankreich.

Der Einfluss dieser gesellschaftlichen Kräfte und ihrer Stimmungen fand seinen schärfsten Ausdruck in den Schriften Bandas. Seine Idealisierung des Maoismus und der stalinistischen Führung der NLF in Vietnam, sowie seine Versuche, die Theorie der permanenten Revolution durch eine ,Zweistufentheorieʻ zu ersetzen, machen deutlich, dass Bandas heutige Position in Wirklichkeit das Endergebnis langandauernder programmatischer Gegensätze ist.

Kenntnisse über Bandas politische Biografie tragen dazu bei, zu verstehen, weshalb er für kleinbürgerlichen Druck empfänglich war. Ohne Bandas Entwicklung in irgend einer Hinsicht als unvermeidbar hinzustellen, sieht es rückblickend doch so aus, als ob er trotz – oder vielleicht sogar wegen – seiner ersten Ausbildung in der bolschewistisch-leninistischen Partei Indiens (in Ceylon), bevor er 1950 im jugendlichen Alter von 20 Jahren nach England kam, nicht völlig mit dem „antiimperialistischen“ Nationalismus gebrochen hätte. Eine Untersuchung von Bandas Schriften und Reden über viele Jahre hinweg zeigt, dass seine Stärken besonders dann hervortraten, wenn er die Verbrechen des Imperialismus gegen die unterdrückten Nationen entlarvte und verurteilte. Aber wenn es darum ging, die unabhängigen Aufgaben der Arbeiterklasse in den rückständigen Ländern herauszuarbeiten, zeigten sich Bandas theoretische Schwächen, die in Klassenpositionen wurzelten.

In seiner Darstellung der Geschichte der Vierten Internationale, „Das Erbe, das wir verteidigen“, hat David North bereits auf die politischen Positionen hingewiesen, die die SLL unter Bandas direkter Anleitung Ende der sechziger Jahre in Bezug auf die arabische Bourgeoisie und die chinesische Revolution entwickelte. In einer Erklärung vom 8. Juli 1967 sagte die SLL den arabischen Arbeitern bereits, sie sollten der Bourgeoisie ihre Unabhängigkeit opfern:

Aber bevor das Proletariat die Führung erstreben kann, muss es konsequent und unzweideutig die Forderungen der nationalen Revolution unterstützen, besonders die Forderung nach Einheit und vollständiger Unabhängigkeit der arabischen Nation.

Dies nicht zu tun, weil Nasser oder Aref, oder selbst Hussein, von Zeit zu Zeit diese Forderungen äußern, hieße die marxistische Bewegung in sektiererischer Isolation einzukerkern.

Hier drückt die SLL zum ersten Mal ihre Befürchtung aus, sich von der nationalen Bourgeoisie zu „isolieren“. Dies war eine völlige Kapitulation vor den verschiedenen Teilen der arabischen Bourgeoisie, die die arabische Nation in unterschiedene Staaten aufgeteilt halten, um so Zwietracht unter den Arbeiter- und Bauernmassen zu schüren, und ihre eigenen Privilegien zu schützen, während jeder Teil der Bourgeoisie versucht, auf Kosten der anderen mit dem Imperialismus handelseinig zu werden. Von der „völligen Unabhängigkeit“ der arabischen Nation zu sprechen, ohne zu erwähnen, wie sie an den Imperialismus gefesselt ist, läuft auf einen groben Sophismus hinaus, der rechtfertigen soll, dass man sich an die pseudo-antiimperialistische Demagogie der bürgerlichen arabischen Führer anhängt.

In einem Leitartikel für die Zeitschrift Fourth International vom Februar 1968, „Die vietnamesische Revolution und die Vierte Internationale“, vertrat Banda offen eine kleinbürgerliche Politik für die Arbeiter und Bauern in den rückständigen Ländern.

Nach zwei Jahrzehnten heroischer Opfer und harter Kämpfe steht das vietnamesische Volk unter der Führung Ho Chi Minhs heute am Vorabend einer der herausragendsten und wichtigsten Siege der antiimperialistischen und sozialistischen Revolution.

Hier zeigt sich die überragende Macht und Widerstandskraft eines in die Länge gezogenen Volkskriegs, geführt und organisiert von einer Partei, die sich auf die Arbeiterklasse und die arme Bauernschaft stützt und von der Oktoberrevolution inspiriert wird. aufgrund der vietnamesischen Erfahrung kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass Gewehre sowie der Mut und die Ausdauer einzelner Guerilleros nichts bedeutet hätten, wären nicht Ho Chi Minh und andere Führer in der Lage gewesen, die Haupt- und Nebenwidersprüche innerhalb Vietnams sowie zwischen Vietnam und dem Imperialismus zu analysieren, und auf dieser Grundlage eine Strategie für die Machteroberung zu entwerfen. Wie Lenin einst schrieb: ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben.

Die Idee einer revolutionären Partei stammt nicht von Ho Chi Minh. Sie ist abgeleitet aus dem Beispiel von Lenins bolschewistischer Partei, die von Stalin fürchterlich verstümmelt wurde. Die Theorie des „in die Länge gezogenen Krieges“ war nicht allein General Giaps Erfindung. Auch sie leitet sich, mit einigen Ergänzungen, aus der Arbeit Mao Tse Tungs und den Erfahrungen der chinesischen Armee im Kampf gegen Tschiang Kai-Schek und die Japaner ab.

Die Revolutionary Communist League war zwar noch nicht Sektion des IK, als dieser Leitartikel erschien, ließ aber die Führung der SLL wissen, dass sie mit dieser Verherrlichung des Maoismus und der vietnamesischen Führung Tausende von asiatischen Arbeitern und Jugendlichen in die Irre führten. Banda war nicht der Erste, der die sogenannten „Haupt- und Nebenwidersprüche“ zu entdecken glaubte, um eine „Strategie für die Machteroberung“ zu finden. Rohana Wijeweera, der Führer der JVP in Sri Lanka und Charu Majumdar, der Führer der Naxalbari-Rebellion in Indien, waren Ende der sechziger Jahre zu demselben Schluss gekommen.

Die Grundlagen für eine trotzkistische Partei in Sri Lanka, nach dem großen Verrat der LSSP, konnten nur in einem bewussten Kampf gegen die „Theorien“, wie Banda sie vertrat, geschaffen werden, insbesondere gegen die Versuche, den bewaffneten Kampf zur Strategie zu erheben, und gegen die Verherrlichung des Populismus: nach dem Verrat von 1964 mussten die Trotzkisten in Sri Lanka gegen eine kleinbürgerliche Tendenz kämpfen, die unter dem Namen JVP bekannt wurde. Wenn die RCL Bandas „Theorien“ als legitimen Beitrag zum Trotzkismus akzeptiert hätte, dann wäre die trotzkistische Bewegung schon vor langer Zeit in den kleinbürgerlichen Radikalismus liquidiert worden. Während Banda für eine Kapitulation vor dem kleinbürgerlichen Radikalismus eintrat, erklärte die RCL in ihrer Analyse der JVP kategorisch ihre Opposition gegen die Linie, die Banda vertrat:

Wenn die Frage der revolutionären Führung in diesen Ländern in der vereinfachten Form von bewaffnetem Kampf gegen friedlicher Weg gestellt wird, dann zeigt dies nur die Versuche kleinbürgerlicher Revisionisten, den wirklichen Problemen des Aufbaus einer solchen Führung auszuweichen.

Diejenigen, die sich auf die chinesische Revolution und das Werk Mao Tse Tungs berufen, versuchen die ganze Frage der Revolution auf einen „in die Länge gezogenen Krieg“ oder eine andere Form des bewaffneten Kampfes zu reduzieren. Mit Marxismus hat das nichts zu tun.

Man kann die Frage der Revolution nicht stellen ohne eine wirklich objektive Einschätzung der Klassen und ihrer wechselseitigen Beziehungen. Wer die Revolution auf weiter nichts als den bewaffneten Kampf reduziert, weicht den grundlegendsten Prinzipienfragen aus, d.h., welche Klasse ist fähig, die Führungsrolle zu übernehmen? Welche Art von Bündnis sollte sie mit der anderen unterdrückten Klasse schließen? Auf welche Politik sollte sich dieses Bündnis gründen?

Die Theorien vom bewaffneten Kampf als Strategie‘ oder von der ‚Ausbreitung der Revolution vom Land in die Städte‘ sind nicht in der Lage, die Erfahrungen der Kämpfe der Arbeiterklasse seit der Pariser Kommune 1871 zu verarbeiten oder zu analysieren. Die marxistische Auffassung, dass die Arbeiterklasse die Macht nicht auf friedlichem Weg erobern kann, hat nichts mit einer Vorstellung zu tun, dass der Sieg allein durch Waffen errungen werden könnte. Niemand, der auch nur die geringste Achtung für die Erfahrungen der Arbeiterklasse hat, die trotz ihres Besitzes von Waffen zahlreiche Niederlagen erleiden musste, kann solche Theorien verbreiten.

Wurde nicht das spanische Proletariat im Bürgerkrieg 1936-39 von Francos faschistischen Armeen geschlagen, obwohl es einen bewaffneten Kampf führte? Kann die Niederlage der chinesischen Arbeiter 1927 damit erklärt werden, dass sie nicht zu den Waffen gegriffen hätten? Traten die Arbeiter in der revolutionären Welle nach dem Krieg in Europa und Asien dem kapitalistischen Feind nicht mit Waffen in den Händen gegenüber? Ist es der Mangel an Waffen, der die gesamte Guerrilla-Bewegung im Nahen Osten heute mit einer Katastrophe bedroht? Die Bourgeoisie konnte einzig und allein deshalb an der Macht bleiben, weil die Vorhut der Arbeiterklasse keine völlige Unabhängigkeit von der Bourgeoisie errungen hatte, obwohl Teile der Arbeiter bewaffnet waren.

Diejenigen, die die Probleme einer ganzen Generation von Arbeitern ignorieren, die darum kämpften, ihre völlige Unabhängigkeit von der Politik der stalinistischen, klassenverräterischen und reformistischen Führungen zu erringen – die sogar so weit gingen, sich an die Spitze bewaffneter Bewegungen zu stellen, nur um die Arbeiterklasse der Kapitalistenklasse unterzuordnen, wie im Bürgerkrieg in Griechenland oder heute im Nahen Osten – diejenigen, die all dies missachten, demonstrieren nur ihre Verachtung für die unter gewaltigen Opfern gewonnenen Erfahrungen. ...

Die Frage der Führung und des Programms der Revolution ist in der vorliegenden Schrift vom Standpunkt einer ganz anderen Methode aus aufgebracht worden, als in der oben geschilderten Fragestellung. Die vorliegende Schrift behandelt diese Probleme durch eine Analyse der objektiven Rollen der Klassen im Kampf und ihrer wechselseitigen Beziehungen. Hier betonen wir, dass die Arbeiterklasse in den rückständigen Ländern vor der Aufgabe steht, ein revolutionäres Bündnis mit der Bauernschaft zu schließen, und nicht mit dem sogenannten fortschrittlichen Teil der Bourgeoisie. Wir weisen an dieser Stelle auch darauf hin, dass dieses Bündnis zwischen Arbeitern und Bauern nicht die Verschmelzung der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft bedeutet. (Keerthi Balasuriya, Politik und Klassencharakter der JVP, Dezember 1970, Vorwort, aus dem Engl. übersetzt.)

Die Healy-Banda-Slaughter-Führung leistete damals keine vergleichbare Verteidigung der Theorie der permanenten Revolution. Bandas gefährliche Revisionen in Bezug auf Vietnam und China waren in Healys Augen kaum mehr als persönliche Marotten. Healy war bereits in hohem Maße vorwiegend mit organisatorischen Fragen beschäftigt, die sich aus dem physischen Wachstum der Partei Ende der sechziger Jahre ergaben. Nachdem er einst den Kampf gegen den Revisionismus als wichtigste theoretische Triebfeder für organisatorische Fortschritte betrachtet hatte, sah Healy theoretische Auseinandersetzungen immer mehr als gefährliche Ablenkungen von der praktischen Arbeit an. Was Healy betraf, so konnte Banda von Mao halten, was er wollte, wenn er nur keinen Streit darüber anzettelte und die Tagesarbeit der Partei nicht störte.

Dieser Faustpakt mit dem Revisionismus hatte schließlich katastrophale Folgen. Eine Zeit lang wurde die Schwächung der SLL in wesentlichen programmatischen Fragen gewissermaßen vertuscht durch ihre organisatorischen Erfolge nach den Ereignissen von Mai/Juni 1968 in Frankreich, die breite Schichten kleinbürgerlicher Intellektueller und Studenten radikalisierten und der britischen Sektion viele neue Mitglieder brachten. Aber gerade unter Bedingungen, wo viele kleinbürgerliche Elemente in die Partei strömten, führte die Schwächung der Klassenposition der SLL – verschärft durch ihren plötzlichen Bruch mit der OCI und ihrem Versäumnis, die politischen und theoretischen Lehren aus dieser Spaltung zu vertiefen – dazu, dass ihre Führung gegenüber dem Klassendruck feindlicher sozialer Kräfte anfälliger wurde.

Die Folgen dieser Entwicklung zeigten sich 1971-72 im Befreiungskampf von Bangladesch in Form einer restlosen Kapitulation vor der indischen Bourgeoisie, der Hauptstütze der imperialistischen Vorherrschaft auf dem indischen Subkontinent, in einer Situation, wo die Arbeiter und Bauern deren Herrschaft unmittelbar bedrohten.

Wie die RCL in ihrer Erklärung zum Krieg in Bangladesch darlegt (s. S. 46-50), war die Entwicklung dieses Befreiungskampfes und das Auseinanderbrechen des pakistanischen Staates – der durch eine Verschwörung zwischen der indischen Bourgeoisie und dem britischen Imperialismus geschaffen worden war, um die Massen nach Religion und Gebiet zu spalten – nicht nur eine Gefahr für die pakistanische herrschende Klasse. Es war vor allem eine direkte Bedrohung für die indische Bourgeoisie, die die von den Imperialisten angezettelte Teilung unterstützte und aufrechterhielt.

Healy, Banda und Slaughter missachteten die strategischen Lehren aus dem Klassenkampf in Indien seit 1947 und auch die Perspektive der Vierten Internationale während der Periode der Teilung. Stattdessen erklärten sie die bankrotte und reaktionäre indische Bourgeoisie für fähig, die nationale Einheit Indiens herzustellen, und zwar gerade in dem Moment, wo die Massen selbst gewaltige Schritte unternahmen, im Kampf gegen die Verschwörungen der Hindu- und Moslem-Herrscher, die gemeinsam die Teilung Indiens aufrechterhielten, die demokratische Revolution zu vollenden. Die SLL-Führer gingen so weit, selbst den Krieg Indira Gandhis zur Aufrechterhaltung der Teilung als heroischen Versuch zur Demokratisierung Indiens gutzuheißen.

In der ersten Erklärung der SLL (s. S. 45-46), die (ohne jede Rücksprache) im Namen des IKVI veröffentlicht wurde, fehlte nicht nur jeder Aufruf an die Arbeiterklasse in Indien und Pakistan, das Selbstbestimmungsrecht der bengalischen Nation durch eigene, unabhängige Kampfmaßnahmen gegen die militärischen Schritte beider herrschender Klassen zu unterstützen; die Erklärung unterstützte auch die Hindu-Bourgeoisie in ihren Bemühungen, die Lage unter Kontrolle zu bekommen.

Auf die Herausforderung der RCL reagierte Banda in der Weise, dass er unter Hinweis auf die unausbleiblichen Bedrohungen durch den Imperialismus die nationale Bourgeoisie Indiens offen als „progressiv“ und „revolutionär“ bezeichnete (s. S. 57-60). Bandas dürftige Alibis, um die Invasion der indischen Bourgeoisie in Bangladesch, die Entwaffnung der Mukti Bahini und den folgenden Krieg gegen Pakistan zu Rechtfertigen, waren eine Beleidigung des Intellekts jedes fortgeschrittenen Arbeiters. In seiner dienstbeflissenen Eile, der Habgier der Tatas und Birlas, der Hauptsäulen des Imperialismus in Indien zu schmeicheln, machte Michael Banda aus der indischen Bourgeoisie ein unschuldiges Opfer imperialistischer Angriffe.

Nicht nur der theoretische Rahmen für dieses Argument war verrottet, auch Bandas Darstellung der Klassenkräfte auf dem indischen Subkontinent war völlig falsch. Zum einen ist das Argument, der Druck des Imperialismus setze die Klassengegensätze außer Kraft, ein Hohn auf den Marxismus. Trotzkis Worte über die imperialistische Vormachtstellung in China 1927 gelten in noch größerem Maße für Indien:

Es ist ein ganz grober Fehler zu denken, dass der Imperialismus mechanisch, von außen her, alle Klassen Chinas zusammenschweißt. Das ist die Stellung des chinesischen Kadetten Daj Tschi Tao, keineswegs aber unsere. Der revolutionäre Kampf gegen den Imperialismus ist eine äußerst bedeutsame Kraft in den inneren Beziehungen Chinas. Die Hauptquelle dieser Kraft sind nicht die Kriegsschiffe in den Gewässern des Yangtse Kiang – das sind nur Hilfsmittel – sondern die ökonomische und politische Verbindung des Auslandskapitals mit der chinesischen Bourgeoisie. Der Kampf gegen den Imperialismus erfordert, gerade wegen seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht, eine gewaltige Anspannung der Kräfte der gesamten unteren Schichten des chinesischen Volkes. Man kann die Arbeiter und Bauern nur dann wirklich gegen den Imperialismus auf die Beine bringen, wenn man ihre grundsätzlichsten und tiefsten Lebensinteressen mit den Interessen der Befreiung des Landes verbindet. ( Leo Trotzki, China-Die erwürgte Revolution, Bd. l, S. 59)

Zum Zweiten war Bandas willkürliche und ignorante Behauptung, Pakistan sei das einzige Instrument des Imperialismus auf dem indischen Subkontinent, eine Verdrehung der Klassenbeziehungen nach der Teilung. Man kann Bandas Behauptungen zwar schon mit einfachen geschichtlichen Grundkenntnissen widerlegen, um aber zu verstehen, wie weit die SLL von den traditionellen Anschauungen der trotzkistischen Bewegung abgekommen war, muss man die Perspektive und Analyse der Bolschewistisch-Leninistischen Partei Indiens, der damaligen Sektion der Vierten Internationale, unmittelbar nach der Teilung betrachten:

Die Teilung Indiens, die so vorschnell allein der Muslim-Liga zugeschrieben wird, geht letzten Endes nicht auf die Politik der Liga, sondern auf die Politik des Kongresses zurück. Die Politik des Kongresses gegenüber dem britischen Imperialismus bedeutete nicht Kampf, sondern Versöhnung. Und die Politik der Aussöhnung förderte unweigerlich die Politik der Teilung, denn sie überließ die gesamte Initiative dem britischen Imperialismus.

Die Teilung Indiens kam so zustandezu Stande, dass die indische Bourgeoisie über die Köpfe der aufständischen Massen hinweg und gegen deren Willen in einem Abkommen vor dem Imperialismus kapitulierte. Pakistan ist das Ergebnis der bürgerlichen Abtreibung der Massenbewegung.

Die Teilungstragödie folgt aus den erklärten Zielen ihrer Architekten. Diese brutale Zerstückelung des lebendigen Körpers Indiens und der beiden lebendigen Nationalitäten (Panjab und Bengalen) wurde sowohl als Lösung des Problems religiöser und rassischer Konflikte als auch als Weg zur Freiheit hingestellt. Beides erwies sich als falsch.

Was die eine Frage angeht, so erwies sich die Teilung nur als Mittel, um die Massen mit neuen Ketten an die imperialistische Versklavung zu fesseln. In der zweiten Frage erwies sie sich als Mittel, in zwei Staaten Kriegsgelüste zu schüren, als einzigen Weg, um interne religiöse und rassische Spannungen zu kanalisieren und soziale Unruhen zu vermeiden. Der Krieg wird möglicherweise noch kommen (wenn er in Kaschmir und Junagadh nicht schon da ist). Aber die sozialen Unruhen haben sich bereits in Form einer Katastrophe eingestellt. Ja, die Teilung Indiens hat die religiösen und rassischen Konflikte, die ansonsten ohne weiteres hätten abgebaut werden können, noch verschärft. Der Versuch, diese Rassen- und Religionskonflikte zur Grundlage für getrennte Staaten zu machen, hat sie nur in jedem einzelnen Land angeheizt. Der auf eine Religion und Rasse gegründete Staat ist das nationale Endziel der irrwitzigen Logik dieser Aufteilung. ...

Der Stand der Beziehungen zwischen der Indischen Union und Pakistan wird das Verhältnis zwischen Westbengalen und Ostbengalen offensichtlich in weit größerem Maße bestimmen als der Stand der Beziehungen zwischen der ost- und westbengalischen Bevölkerung. Aber das Drängen nach der Einheit Bengalens ist tief verwurzelt, hat eine lange Geschichte und muss auf lange Sicht Früchte tragen. Denn es kann nicht sein, dass ein Volk, das zu Beginn des Jahrhunderts gegen eine Teilung kämpfte, eine weitere Teilung Mitte des Jahrhunderts aus rein rassischer und religiöser Leidenschaft auf ewig hinnehmen wird. Deswegen wird der Drang nach nationaler Einheit langfristig stärker sein als die gegenwärtigen rassischen und religiösen Zerwürfnisse.

Die wirkliche Aufgabe besteht darin, zu verhindern, dass die ,nationale Bewegung gegen die Teilung die chauvinistische Bewegung nährt, die Pakistan für die Indische Union zurückerobern will (und umgekehrt). Diejenigen, die auf beiden Seiten für eine ehrliche, d. h. freiwillige Wiedervereinigung kämpfen, müssen daher einen Weg finden, diese Arbeit durchzuführen, ohne die Indische Union und Pakistan hineinzuziehen.

Wie ist das möglich? Sicher nicht dadurch, dass man sich mit den reaktionären Eroberern auf einer Seite der Grenze verbündet. Diese müssen im Gegenteil unnachgiebig bekämpft werden. Denn die Aufgabe besteht nicht in der gewaltsamen Wiedervereinigung Bengalens (der Provinz) im Rahmen von entweder der Indischen Union oder Pakistan, sondern in der freiwilligen Wiedervereinigung der bengalischen ,Nationalität auf der Grundlage ihres Rechts auf Selbstbestimmung. ...

In diesem Zusammenhang muss man noch eine weitere Tatsache beachten. Die Wiedervereinigung der bengalischen Nation auf der Grundlage ihres Rechts auf Selbstbestimmung kann nur durch die soziale Revolution sowohl in der Indischen Union als auch in Pakistan verwirklicht werden. Unter keinen anderen Bedingungen wird es der bengalischen ,Nation möglich sein, dieses Recht auszuüben. Aber die soziale Revolution in der Indischen Union und Pakistan kann nur ein vereintes Indien auf sozialistischer Grundlage bedeuten. Deswegen lautet die Perspektive: eine Sowjetrepublik Bengalen in einer Sowjetrepublik Indien! So führt das revolutionäre proletarische Programm zu einer progressiven Grundlage für die Erfüllung der Hoffnungen auf ein vereintes Bengalen (und Panjab) und ein vereintes Indien. Was die Bourgeoisie in reaktionärer Weise auseinander gerissen hat, kann nur die Arbeiterklasse auf progressivem Wege vereinen. Das ist die Dialektik unserer Epoche. (Colvin R. Silva, Die gegenwärtige politische Situation in Indien, 1948, aus dem Engl. übersetzt.)

Genau wie die BLPI-Führer diese Perspektive später aufgaben und den Kompromiss zwischen der nationalen Bourgeoisie und dem Imperialismus als demokratische Lösung akzeptierten, so gab auch Banda die Perspektive der proletarischen Revolution auf und überließ der Bourgeoisie die Hegemonie über die demokratische Revolution. In seinem Brief an Balasuriya vom 27. Januar 1972 stellte Banda dann in Frage, ob es politisch gerechtfertigt sei, die indische Bourgeoisie auf der Grundlage eines demokratischen Programms herauszufordern:

Setzen wir die Bemühungen der reaktionären indischen Bourgeoisie, Indien zu vereinen, (und sogar Ost-Pakistan zu annektieren) mit den Versuchen des Imperialismus gleich, mit Hilfe einer spalterischen Bewegung, wie Pakistan es ist, Indien aufzuspalten?

So verriet die SLL das Recht der Bengalen auf Selbstbestimmung und wurde zu einer politischen Stütze der Hindu-Bourgeoisie und der neuen Abkommen zwischen dem Imperialismus und der einheimischen Bourgeoisie auf dem Subkontinent. Die Warnungen aus den Briefen der RCL wurden vollständig bestätigt.

Dieses Vorgehen der SLL und M. Bandas, um die politische Autorität der nationalen Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse und gegen die Sektionen des Internationalen Komitees zu verteidigen, wirft ein grelles Licht auf die „selbstgebastelten“ Theorien, die Banda geliefert hat und seine zunehmende Anpassung an den Stalinismus im Rahmen der Verrätereien der WRP-Führung Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre. Bandas Eingreifen 1972 war in keiner Weise trotzkistisch. Er hatte damals bereits die Möglichkeit abgeschrieben, die Arbeiterklasse für den Sozialismus zu mobilisieren, und sich der nationalen Bourgeoisie und der stalinistischen Bürokratie angeschlossen.

In seinem Brief von 1972 schlug Banda außerdem vor, das Übergangsprogramm der Vierten Internationale dahingehend zu ändern, dass es die verräterische Politik des Maoismus einschließen sollte. Er trat ausdrücklich dafür ein, dass die revolutionäre Partei in rückständigen Ländern nicht vom Klassenkampf ausgehen sollte, sondern „von den objektiven Widersprüchen, die zu jeder Zeit zwischen dem Imperialismus und den kolonialen Kapitalisten bestehen“. Dann erklärte er dies zur Hauptlehre aus der chinesischen Revolution.

Für eine Antwort auf Bandas anmaßende Behauptung, er sei Experte in Fragen der chinesischen Revolution, bräuchte man weitaus mehr Raum, und wir werden zu gegebener Zeit darauf eingehen. An dieser Stelle soll es ausreichen, zu sagen, dass die Grundlage von Maos Politik die ausdrückliche Ablehnung der Führungsrolle des Proletariats ist. Maos Reaktion auf die Niederlage des Proletariats 1927 wegen der opportunistischen Politik, die er selbst unterstützt hatte (d. h. der Unterordnung der KP Chinas unter die bürgerliche Kuomintang) bestand darin, dass er der Arbeiterklasse den Rücken zukehrte und eine revolutionäre Perspektive, die sich auf die Mobilisierung des städtischen Proletariats stützt, als hoffnungslos abschrieb. Gerade in dieser demoralisierten Verachtung für die Arbeiterklasse und dem damit verbundenen Bestreben, jede unabhängige Aktion des Proletariats abzuwürgen, liegt der Schlüssel für die immerwährende Anziehungskraft des Maoismus auf kleinbürgerliche Radikale.

Die Tatsache, dass diesen Positionen in der SLL-WRP nicht widersprochen wurde, und dass die Kritiken der SLL dem IKVI niemals vorgelegt wurden, beweist, dass sich die Healy-Banda-Slaughter-Führung bereits 1971-72 in eine verrottete Clique verwandelte, die den Weg der „Experimentalpolitik“ einschlug. Die RCL stellte im Januar 1972 ausdrücklich fest, dass die Arbeit der britischen Sektion in die Richtung gehe, „alle wesentlichen Errungenschaften, die die SLL-Führung in ihrem Kampf gegen die SWP in der Periode von 1961-63 gemacht hatte, zu revidieren.“ (Siehe Balasuriyas Brief vom 11. Januar 1972)

Aber die RCL konnte im Internationalen Komitee keine Diskussion über diese fundamentalen Fragen erzwingen. Nicht nur, dass die Dokumente der RCL den Sektionen des IK nicht zugänglich gemacht wurden. Die britische Führung nahm auch die Position ein, dass programmatische Beständigkeit nicht die Kontinuität des Marxismus ausmacht. Obwohl Cliff Slaughter lauthals protestiert, das IKVI habe ihm Unrecht getan, indem es ihn neben Healy und Banda stellte, lieferte gerade er den erforderlichen „theoretischen“ Deckmantel für Bandas offene politische Revisionen.

1972 schrieb Slaughter, angeblich als Antwort auf die Revisionisten von der OCI:

Werden revolutionäre Parteien, die die Arbeiterklasse zur Macht und zum Aufbau des Sozialismus führen können, einfach dadurch aufgebaut, dass das Programm des Trotzkismus, die bestehenden Kräfte des Trotzkismus, in die durch die Krise verursachten politischen Entwicklungen eingebracht werden? Oder wird es nicht notwendig sein, in der verwandelten Realität des Klassenkampfes einen bewussten Kampf für die Theorie zu führen? (Trotskyism versus Revisionism, Bd. 6, New Park, S. 226, aus dem Engl. übers.)

Diese Gegeneinanderstellung von „Theorie“ und „Programm“ des Trotzkismus, untermauert mit der politisch zweifelhaften Kategorie „verwandelte Realität des Klassenkampfes“ – was wie die „neue Weltrealität“ von Pablo und Mandel klingt – war der von Slaughter angefertigte politische Pass, mit dem die SLL ohne historisch-programmatische Leitlinie in unbekannte Gebiete vordrang. In demselben Artikel behauptete Slaughter recht willkürlich, dass „das IK für die wirkliche Kontinuität der Vierten Internationale und des Marxismus kämpft, indem es bewusst den dialektischen Materialismus entwickelt“. Laut Slaughter gab es also „wirkliche“ und „scheinbare“ Kontinuität. Die Kontinuität wurde nur in dem Maße „wirklich“, wie sie sich nicht um die programmatischen Grundlagen der revolutionären Bewegungen scherte. Slaughters Behauptung, allein der Kampf für die Dialektik sei der Kampf für die Vierte Internationale, war also die raffinierte Rechtfertigung eines kleinbürgerlichen Intellektuellen für den stillschweigenden Bruch mit den programmatischen Grundlagen des Trotzkismus.

Die Trotzkisten standen also vor der Aufgabe, die pseudo-dialektische Scharlatanerie der WRP-Führer zu entlarven, um ihre unversöhnlichen programmatischen und politischen Differenzen gegen die Renegatenclique von Healy, Banda und Slaughter vorzubringen. Hierin bestand die entscheidende Bedeutung des Eingreifens der Workers League 1982, als sie auf den Zusammenhang zwischen den programmatischen Revisionen und der völlig anti-marxistischen Methode der WRP-Führung aufmerksam machte.

Die Mehrheit der IK-Sektionen, die an dem Erbe des Kampfes gegen den pablistischen Revisionismus festhielten, ließen sich durch die pro-stalinistische Linie, die die WRP-Führung der Weltpartei aufzuzwingen versuchte, nicht aus der Bahn werfen. Der wachsende und immer offenere Widerspruch zwischen der politischen Linie der WRP und den Prinzipien, auf denen die Sektionen des IKVI gegründet worden waren, führten 1982 unweigerlich zu einem prinzipiellen Kampf gegen die Healy-Banda-Slaughter-Führung. Obwohl es der WRP-Führung eine Weile gelang, ihren organisatorischen „Muskel spielen zu lassen und damit die Workers League vorübergehend zu isolieren, so wie sie zuvor die RCL isoliert hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Kritik in den Sektionen des IKVI ein mächtiges Echo fand. Der Isolation der srilankischen Trotzkisten wurde ein Ende gemacht, und sie nahmen in vorderster Front den Kampf gegen den Revisionismus der WRP auf. Durch den gemeinsamen Kampf der RCL, der australischen SLL, des deutschen BSA und der trotzkistischen Opposition innerhalb der WRP (die sich im März 1986 als International Communist Party neu konstituierte) wurde, mit der brüderlichen Unterstützung der Workers League, die programmatische Einheit des Internationalen Komitees der Vierten Internationale wieder hergestellt.

***

In dem einen Jahr seit der Spaltung mit der WRP hat das Internationale Komitee unermüdlich darum gekämpft, alle politischen Lehren aus der Spaltung theoretisch aufzuarbeiten und den Graben zwischen seinen Sektionen und allen Spielarten des Zentrismus und Opportunismus zu vertiefen. Diese Arbeit beherrschte das zweite Plenum des IKVI nach der Spaltung im Oktober 1986. An erster Stelle stand die Untersuchung der Entwicklung all der Kräfte, die mit dem IKVI gebrochen hatten. Diese Nummer der Vierten Internationale beginnt daher mit der Erklärung „Ein Jahr seit der Spaltung im Internationalen Komitee, dem Hauptdokument, das auf dem zweiten Plenum erstellt wurde. Wir wollen festhalten, dass sich die Rechtswendung der Renegaten aller Fraktionen seit dieser Analyse ununterbrochen fortgesetzt hat. Die Tinte der IKVI-Erklärung war kaum trocken, da erfuhren wir beispielsweise, dass Savas Michael von der griechischen WRP in den Wahlen direkt einen offenen Block mit Papandreous PASOK gebildet hatte. In mehreren Wahlkreisen kandidierte die WRP auf einer gemeinsamen Liste mit bürgerlichen Kandidaten. Um ihre Volksfront mit PASOK zu festigen, erklärte sich die griechische WRP darüber hinaus bereit, die Forderung nach Abzug der amerikanischen Stützpunkte aus Griechenland aus ihrem Wahlprogramm zu streichen!

Eine Reihe weiterer Dokumente von diesem Plenum, die hier wiedergegeben werden, insbesondere die Erklärung des IKVI über seine Aufgaben in Sri Lanka (s. S. 30-33), zeigen die theoretischen Fortschritte, die bei der Bereicherung der Theorie der permanenten Revolution im Hinblick auf die heutigen Aufgaben des Proletariats gemacht wurden.

Eine letzte Bemerkung, bevor der Leser die hier abgedruckten Dokumente studiert. Beinahe ein dreiviertel Jahr ist vergangen, seit das Internationale Komitee in der ersten Ausgabe der Vierten Internationale seit der Spaltung eine 109seitige Analyse veröffentlichte, „Wie die WRP den Trotzkismus verraten hat, 1973-1985. Keine einzige Renegatenfraktion der WRP hat seither versucht, diese Analyse zu entkräften oder zu widerlegen. Die einzige „Antwort, die wir bekommen haben, ist folgende Aussage Slaughters, er werde nicht antworten:

Wir werden uns nicht mit den Dutzenden von Lügen und Verdrehungen in Norths Darstellung befassen, und es ist überflüssig, seine subjektiven Ausbrüche oder seine andauernden kindischen Bemerkungen über die ,Healy-Banda-Slaughter-Führung – ein sehr bequemes Amalgam – zu beantworten.

Diese Erklärung wird seine neuen revisionistischen Freunde, die absolut kein Interesse an politischen Prinzipien haben, zweifellos zufrieden stellen. Aber in der marxistischen Bewegung, wo das Ausbleiben einer Antwort auf politische Kritik immer als Eingeständnis ihrer Wahrheit gewertet wird, wird jeder revolutionäre Kämpfer Slaughters aalglattes Ausweichen als direktes Eingeständnis seiner politischen Feigheit und seines Bankrotts werten.