Am Mittwoch vergangener Woche verbot das Bundesinnenministerium das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und angebliche Ableger in Berlin, München und Frankfurt am Main. Die Polizei stürmte und durchsuchte insgesamt 53 Moscheen, Gebetshäuser, Vereinsräume und Privatwohnungen in acht Bundesländern und beschlagnahmte Geld, fünf Grundstücke und andere Vermögenswerte. Vier Moscheen wurden dabei entweiht.
In Hamburg verschafften sich vermummte Beamten mit Rammen und Kettensägen gewaltsam Zutritt zur „Blauen Moschee“, der ältesten schiitischen Moschee in Europa, die daraufhin unter Verwaltung des Bundes gestellt wurde. Das IZH gilt als Zentrum des schiitischen Islam in Deutschland und wird seit 1993 vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet. Bereits im November vergangenen Jahres hatte die Polizei 55 Hausdurchsuchungen in sieben Bundesländern vorgenommen, um Beweismittel für das jetzige Verbot sicherzustellen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) verurteilt diese Angriffe auf die Religionsfreiheit auf das Schärfste. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit der Kriegskampagne, die die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Nato-Partnern und Israel gegen den Iran führt. Um einen offenen Krieg vorzubereiten, werden Kriegsgegner an der Heimatfront eingeschüchtert und nun auch muslimische Minderheiten pauschal terrorisiert.
Das Innenministerium beschuldigt das IZH unter anderem, gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ und den „Gedanken der Völkerverständigung“ zu handeln, die libanesische Hisbollah zu unterstützen und eine Gefahr für demokratische Rechte in Deutschland darzustellen. Vertreter des Ministeriums und der Regierung werfen der Einrichtung außerdem vor, als „Spionagenest“, „verlängerter Arm“ und „direkter Vertreter“ des iranischen Regimes zu fungieren.
All diese Vorwürfe werden erhoben, ohne konkrete Beweise vorzulegen. Am weitreichendsten ist die Beschuldigung, in Verbindung mit dem Iran zu stehen – dem Zentrum der schiitischen Konfession. Mit derselben Begründung könnte die Regierung katholische Kirchen stürmen und beschlagnahmen lassen und dies damit rechtfertigen, dass sie „verlängerter Arm“ und „direkter Vertreter“ des Vatikans seien.
Das iranische Außenministerium reagierte am Mittwoch auf das Verbot mit der Einbestellung des deutschen Botschafters und sprach von einer „feindlichen Aktion“, die von „Islamfeindlichkeit“ zeuge und „fundamentalen Menschenrechtsprinzipien widerspricht“.
Während Polizisten auf ihre Anweisung hin deutschlandweit muslimische Einrichtungen entweihten und beschlagnahmten, behauptete Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gegenüber der Presse dreist, dass sich dies „nicht gegen eine Religion“ richte. Das Ministerium unterscheide „klar zwischen Islamisten, gegen die wir hart vorgehen, und den vielen Musliminnen und Muslimen, die zu unserem Land gehören und ihren Glauben leben“. Die „friedliche schiitische Glaubens- und Religionsausübung“ sei „nicht von unserem Verbot berührt“.
In Wirklichkeit verwischt das Innenministerium unter dem Begriff „Islamismus“ systematisch jeden Unterschied zwischen gewaltbereiten jihadistischen Gruppen – die häufig von den Nato-Mächten selbst instrumentalisiert werden – und Formen des politischen Aktivismus, die sich zum Teil gegen Rassismus und Imperialismus richten.
So zählt der Verfassungsschutz auf seiner Webseite zu den „Erscheinungsformen“ des Islamismus auch solche Tendenzen, die „gezielt aktuelle gesellschaftliche und politische Themen aufgreifen“, um „Muslimen eine ‚Opferrolle‘ zuzuschreiben“. Der Eintrag listet explizit eine Reihe muslimischer Gruppen, die gegen den Völkermord in Gaza protestieren.
Der staatliche Angriff auf das Zentrum einer religiösen Minderheit in Deutschland ist ein Alarmsignal und muss vehement zurückgewiesen werden. Die grundsätzliche Kritik, die Sozialisten an jeglichen religiösen Auffassungen üben, bedeutet keinerlei Unterstützung für diesen Frontalangriff auf demokratische Rechte und die Religionsfreiheit. Die vom Ministerium erhobenen Beschuldigungen sind derart allgemein und die Begründung derart fadenscheinig, dass sie zum Ausgangspunkt noch umfassenderer Angriffe werden können.
Nachdem Gegner des von Deutschland unterstützten Genozids in Gaza seit Monaten von der Polizei misshandelt und strafrechtlich verfolgt werden, wird dieses polizeistaatliche Vorgehen jetzt auf eine ganze Religionsgemeinschaft ausgedehnt. Damit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, die deutsche Kriegspolitik gegenüber dem Iran zu verschärfen.
Nach der Einbestellung des deutschen Botschafters im Iran ließ das Auswärtige Amt provokativ mitteilen, es sei am Iran, „durch konkrete Schritte zu zeigen, dass eine Veränderung der Beziehungen zu Deutschland und Europa gewollt ist“. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai – selbst iranischer Herkunft – erklärte, man habe sich gegenüber dem Iran bisher „zu stark auf das Atomabkommen verlassen“. Ein Bericht der Tagesschau spricht anerkennend von einem „neuen politischen Kurs gegenüber dem Iran“.
Tatsächlich wird der Iran von der Europäischen Union seit 2011 mit umfassenden Sanktionen belegt, die im Jahr 2022 noch drastisch verschärft wurden. Dies trug 2024 zu einem Verfall der Landeswährung um 15 Prozent gegenüber dem US-Dollar bei sowie zu einer Inflation von 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum wurden Regimes wie das saudi-arabische – das dem iranischen hinsichtlich der Missachtung von Menschenrechten in nichts nachsteht – mit milliardenschweren Investitions- und Waffendeals bedacht. Bei einem Besuch im Januar dieses Jahres signalisierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Zustimmung der Bundesregierung für die Lieferung von 48 Eurofighter-Kampfjets.
Mit der Verschärfung dieser Kriegspolitik zielt die Bundesregierung darauf, an der imperialistischen Neuaufteilung des Nahen und Mittleren Ostens teilzunehmen. Am selben Tag, an dem das Innenministerium das IZH verbieten ließ, hielt Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eine faschistische Ansprache im US-Kongress, in der er den versammelten Abgeordneten den Fortschritt des Völkermords im Gaza-Streifen darlegte. Den mehreren Tausenden Demonstranten, die in der Stadt gegen ihn protestierten, unterstellte er, vom Iran bezahlt worden zu sein, und rief die johlenden und applaudierenden Abgeordneten zum Feldzug gegen das Land auf.
Die israelischen Angriffe auf die Hisbollah im Libanon sind die Umsetzung dieser Politik und drohen den ganzen Nahen Osten in Brand zu setzen, um die imperialen Interessen der Nato-Mächte durchzusetzen. Das Verbot des IZH ist die Vorbereitung dieses Kriegs an der Heimatfront.
Am Donnerstagabend versammelten sich vor der geschlossenen Blauen Moschee an der Alster hunderte Menschen zur Andacht und zündeten Kerzen an. Ein Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes kündigte an, „iranische und schiitische Islamisten weiter im Fokus zu behalten“.
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