Stellantis: 25.000 Arbeitsplätze in Italien in Gefahr

In Italien wird der Stellenabbau bei Stellantis im nächsten Jahr die Zerstörung von bis zu 25.000 Arbeitsplätzen in der Autoproduktion bewirken. Das wurde am 8. August bekannt. Der Vorsitzende der christlichen Metallgewerkschaft Fim/Cisl, Ferdinando Uliano, sagte, dass Stellantis mindestens 12.000 Arbeitsplätze in seinen italienischen Werken vernichten wolle, und dass dies für die Zulieferindustrie den Verlust von weiteren 12 bis 13.000 Stellen bedeuten werde.

Vorausgegangen war ein runder Tisch („tavolo automotivo“) in Rom unter Leitung des Ministers für Unternehmen und Made in Italy (Mimit), Adolfo Urso, der Melonis faschistischer Regierungspartei Fratelli d‘Italia angehört. Neben Vertretern von Stellantis nahmen alle drei großen Metallgewerkschaften – Fiom/Cgil, Fim/Cisl und Uilm – daran teil. Im Anschluss wiegelte Stellantis-Personalchef Giuseppe Manca im Gespräch mit dem italienischen TV-Sender La7 ab und sagte: „Stellantis hat den Gewerkschaften den Plan des Konzerns für Italien mitgeteilt, der jedem Werk bis zum Ende des Jahrzehnts eine Mission zuweist.“

Stellantis Italien ist im Frühjahr 2021 durch die Fusion von Fiat-Chrysler (FCA) mit der französischen PSA-Gruppe (Peugeot, Citroën) entstanden. Seither werden die Arbeitsplätze bei Fiat systematisch abgebaut. Kurz vor der Fusion hatte Fiat noch rund 55.000 Beschäftigte; heute sind es nur noch etwa 43.000, davon etwa 15.000 in der Region Turin.

Fiat-Werk Mirafiori, Turin [Photo by Stellantis]

Die Pläne von Stellantis in Italien sind Teil eines globalen Kahlschlags, der die Werke in ganz Europa und in den USA betrifft. „Wenn die Marken kein Geld einbringen, werden wir sie stilllegen“, drohte Stellantis-Chef Carlos Tavares vor wenigen Wochen. So sind bei Opel in Deutschland erneut 1.000 Arbeitsplätze akut in Gefahr. Immer wieder wird die Produktion durch Phasen der Kurzarbeit unterbrochen. In Österreich ist im letzten Monat das Opel-Werk Aspern mit zuletzt noch 220 Beschäftigten geschlossen worden. In Frankreich hat Stellantis in seinem Werk in Mulhouse 600 Arbeitsplätze abgebaut.

In den USA sollen Anfang Oktober im Truck-Montagewerk Warren (Michigan) 2.450 Arbeiter entlassen werden. Zuvor wurden aus den amerikanischen Werken schon 2.000 Leiharbeiter und Hunderte Angestellte entlassen.

Das Netzwerk der amerikanischen Aktionskomitees, das der Internationalen Arbeiterassoziation angehört, hat in den USA zu einer Gegenoffensive der Basis aufgerufen. In seiner Erklärung heißt es: „Bis hierher und nicht weiter! Warren Trucks ist jetzt ein entscheidendes Schlachtfeld im globalen Krieg um die Arbeitsplätze.“

Will Lehman, ein Autoarbeiter und Sozialist, wandte sich an die Arbeiter an den globalen Stellantis-Standorten und forderte sie auf, den Kampf um die Arbeitsplätze gemeinsam aufzunehmen. Will erklärte: „Wir appellieren an unsere Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt, sich uns in einer Gegenoffensive zur Verteidigung der Arbeitsplätze anzuschließen!“

In Italien zielt der Kahlschlag bei Stellantis mitten ins Herz des Fiat-Konzerns, der auch Alfa Romeo, Lancia und Maserati umfasst. Fiat (Abkürzung von Fabbrica Italiana Automobili Torino), war vor fünfzig Jahren der Inbegriff der italienischen Autoproduktion, mit über zwei Millionen Fahrzeugen, die allein in Turin jährlich vom Band liefen. Heute wird Fiat von Stellantis systematisch demontiert, und neue Modelle wie der E-Fiat 600 werden in Polen und anderswo gebaut.

Diese Verlagerung von Fiat-Modellen nach Osteuropa hat Anfang des Jahres zwischen der Regierungschefin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) und Stellantis, bzw. der Agnelli-Familie, der früheren Eigentümerin von Fiat, einen heftigen Streit ausgelöst. Meloni erklärte: „Wenn Sie ein Auto verkaufen wollen, das als italienisches Juwel beworben wird, muss dieses Auto in Italien hergestellt werden.“ Sie verlangte, die inländische Autoproduktion auf eine Million Fahrzeuge pro Jahr zu steigern.

Stellantis-Chef Tavares dagegen forderte vom italienischen Staat bessere Bedingungen in Form von Anreizen für den Kauf von E-Autos und die Subvention seiner Energiekosten. Dies werde es ihm erst ermöglichen, seine Jahresproduktion von etwa 750.000 Fahrzeugen (2023) auf eine Million zu erhöhen.

Die Beziehungen zwischen der Meloni-Regierung und der Familie Agnelli sind schon länger angespannt. Die Tageszeitung La Repubblica, die von der Agnelli-Familie kontrolliert wird, unterstützt politisch eher die frühere Regierungspartei Partito Democratico (PD). Die Zeitung wirft Meloni seit langem die Privatisierung wichtiger Staatskonzerne vor, z.B. des Energiekonzerns Eni, obwohl auch die früheren PD-Regierungschefs Staatskonzerne privatisierten.

Meloni kontert mit der Anschuldigung, die Agnelli-Familie, bzw. ihre Holdinggesellschaft Exor, habe Fiat „an die Franzosen verkauft“. Exor ist mit 15 Prozent größter Einzelaktionär von Stellantis, und der Agnelli-Enkel John Elkann hat bei Stellantis den Posten eines Co-Vorsitzenden neben Tavares inne.

Die Konflikte drehen sich im Wesentlichen darum, wie die italienische herrschende Klasse ihre Profitinteressen an einem Weltmarkt wahren kann, der immer stärker in die Krise gerät. Während Tavares und Elkann die Produktion in Länder mit niedrigen Löhnen und Kosten verlagern, schürt Meloni Nationalismus, um die Arbeiterklasse zu spalten. Die Arbeitsplätze können aber nur verteidigt werden, wenn sich die Arbeiter international zusammenschließen und gemeinsam kämpfen.

Das versuchen die Gewerkschaften zu verhindern, die selbst nationalistisch und zutiefst in die kapitalistische Wirtschaft Italiens integriert sind. Sie sind Teil der Verschwörung gegen die Arbeiter. Darüber können auch ihre äußerst schwachen Proteste gegen die Stellenstreichungen bei Stellantis nicht hinwegtäuschen. Ihr Hauptziel besteht darin, eine Aufstandsbewegung der Arbeiterklasse zu verhindern.

Rocco Palombella, Vorsitzender der Metallgewerkschaft Uilm, bezeichnete die Kahlschlagpläne als „hypothetisch“ und wandte sich mit der Mahnung an Stellantis: „Fabriken haben auch eine soziale Rolle im Lande zu spielen.“

Auch Fim-Generalsekretär Uliano warnte nur öffentlich vor dem Massaker von 25.000 Arbeitsplätzen im nächsten Jahr, um an die Regierung zu appellieren. Er sagte: „Im Jahr 2025 werden sowohl die zugehörigen Branchen als auch Stellantis die sozialen Sicherheitsnetze erschöpfen. Wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird, wird es zu Massenentlassungen kommen.“

Er forderte, den sozialen Ausgleich für Kurzarbeit zu verlängern, den der Staat im Rahmen der sogenannten „Cassa Integrazione“ den Arbeitern gewährt. Momentan sind Zahlungen aus der Cassa Integrazione auf drei Jahre beschränkt.

Michele De Palma (Fiom/Cgil) plädierte dafür, dass Regierung und Stellantis gemeinsam einen „strategischen und außergewöhnlichen Plan für die italienische Automobilindustrie“ fassen, und forderte lahm, der Übergang zur E-Mobilität müsse auch für Arbeiter gerecht erfolgen.

Alle drei Gewerkschaften hatten schon am 27. März 2024 eine Vereinbarung mit Stellantis über einen Stellenabbau in der Größenordnung von rund 5.000 Arbeitsplätzen unterzeichnet. Er soll über „freiwillige Entlassungen“ laufen, was jedoch nur bedeutet, dass Arbeiter unter Druck und gegen eine magere Abfindung ihren Arbeitsplatz aufgeben.

In Turin sollen 1.500 Beschäftigte „freiwillig“ gehen, und sowohl Bandarbeiter als auch Techniker und Angestellte sind betroffen. Seit Monaten sind über 2.000 Beschäftigte, die in Mirafiori an der Produktion des E-Fiat 500 und des Maserati beteiligt sind, immer wieder von Kurzarbeit betroffen. Um eine drohende Schließung abzuwenden, haben die Beschäftigten das traditionelle Mirafiori-Werk in Turin im Februar drei Tage lang besetzt.

Von Schließung bedroht ist auch das Werk Pomigliano d'Arco bei Neapel, der frühere Alfasud-Produktionsstandort. Dort kam es im Juli zu einem mehrstündigen Streik gegen die unzumutbare Hitze am Arbeitsplatz. In Pratola Serra hatten Fiat-Arbeiter im Februar einen Tag lang gestreikt, nachdem ein 52-jähriger Kollege von einer Maschine erdrückt und getötet worden war.

Sowohl in Pomigliano, als auch in Melfi (Basilikata), Termoli (Molise), Cassino (Latium) und Pratola Serra (Kampanien) werden derzeit hunderte Stellen abgebaut. Immer wieder werden die Beschäftigten vorübergehend – teilweise monatelang – von der Arbeit freigestellt und in Kurzarbeit geschickt.

Die World Socialist Web Site rufen Arbeiter in Italien und ganz Europa auf, sich am Aufbau unabhängiger Aktionskomitee zu beteiligen, um einen gemeinsamen Kampf gegen die geplanten Massenentlassungen zu führen. Meldet euch und füllt dazu das unten stehende Formular aus, um Kontakt aufzunehmen!

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