David North hat bereits eine sorgfältige und verheerende Kritik des Buches The Party is Always Right geschrieben, das als Biografie des langjährigen führenden britischen Trotzkisten Gerry Healy beworben wird. Aidan Beatty, Autor des Buches und Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA), hat bisher nicht versucht, North zu antworten.
Diese ergänzende Rezension enthüllt, wie Beatty die Faktenlage im Zusammenhang mit Gerry Healys Jugend in Irland verfälscht. Healy wurde 1913 geboren und emigrierte 1926 im Alter von 12 oder 13 Jahren nach Wales. Seine Kindheit fiel mit einer entscheidenden und explosiven Periode der irischen Geschichte zusammen – den Jahren des Ersten Weltkriegs, des Osteraufstands, des Unabhängigkeitskriegs und des Bürgerkriegs.
Indem Beatty die Faktenlage dieser Zeit verzerrt und falsch darstellt, zielt er darauf ab, Healy als Lügner darzustellen, der zu allem bereit ist – sogar bezüglich seiner Kindheit.
Beatty zufolge war die „ungeheuerlichste“ von Healys „glatten Lügen“ seine Behauptung, er habe „gesehen, wie die [britischen] Black and Tans seinen Vater während des Unabhängigkeitskrieges erschossen haben“.[1] Der Kontext, auf den Beatty überhaupt nicht eingeht, sind die blutigen Kämpfe während des irischen Unabhängigkeitskrieges gegen den britischen Imperialismus (1919-1921), auch bekannt als Black and Tan War, so benannt nach den khakifarbenen Uniformen der britischen Streitkräfte, die mit brutaler Gewalt gegen die Aufstände republikanischer Unabhängigkeitskämpfer und gegen irische Zivilisten vorgingen. In seinem jüngsten Jacobin-Interview kommt Beatty auf dieses Thema zurück und erklärt, „Healy behauptete, er habe gesehen, wie Black and Tans 1919 seinen Vater erschossen haben (was eine glatte Lüge war)“.[2]
Den Gegenstand seiner Biografie als Lügner zu bezeichnen, ist eine schwerwiegende Anschuldigung, die ein Autor durch konkrete Beweise belegen muss. Und wie zu erwarten, fügt Beatty nach dieser Behauptung eine Endnote ein. Doch diese führt den Leser zu einem Verweis, der nichts dergleichen belegt. Auf Seite 161 in Beattys Abschnitt „Anmerkungen“ finden wir Folgendes: „Michael Healy [Gerry Healys Vater] ist auf der vollständigen Liste der Opfer von Galway in McNamaras ‚War and Revolution‘ natürlich nicht zu finden.“[3]
Beatty hat sich in zwei Lügen verheddert. Erstens geht es bei seiner Behauptung nicht darum, ob der Name Michael Healy auf der Totenliste enthalten ist, die von Dr. Conor McNamara in seinem wertvollen Buch War and Revolution in the West of Ireland, Galway, 1913-22 zusammengestellt wurde. Beatty behauptet, Healy habe eine „ungeheuerliche“ und „glatte Lüge“ verbreitet, als er behauptete, sein Vater sei von den Black and Tans getötet worden. Der Verweis müsste also zu Belegen führen, denen zufolge Healy eine solche Aussage gemacht hat. Das ist nicht der Fall.
Zweitens wird in Dr. McNamaras Liste der Kriegstoten das Jahr 1919 nicht einmal genannt. Der Titel des Anhangs macht dies deutlich: „Todesopfer der Gewalt in County Galway, Januar 1920 bis Juli 1921“. McNamaras Recherchen zeigen außerdem, dass eine vollständige Auflistung der Toten gar nicht möglich ist. Wie McNamara feststellt, floh eine unbekannte Zahl junger Männer aus Galway, höchstwahrscheinlich nach New York, Boston und Chicago, und „in vielen Fällen wurden die Opfer und Veteranen sowohl des Krieges als auch des Unabhängigkeitskampfes nicht über ihre eigenen Familien hinaus in Erinnerung behalten“.[4] McNamaras Buch ist ein wichtiges Buch, auf das wir zurückkommen werden, denn es zeichnet ein Bild der schrecklichen Gewalt in Galway zur Zeit von Healys Kindheit, das in Beattys flüchtiger Darstellung völlig fehlt.
Angesichts der Tatsache, dass Beatty seinen Hass auf Healy bekundet hat, kann dies nicht als unschuldiger Fehler angesehen werden. Er liefert keine Beweise für eine Behauptung, die für sein Buch von maßgeblicher Bedeutung ist und gleich auf der ersten Seite steht. Dies ist ein akademischer Verstoß, der in seiner Schwere einem Plagiat entspricht. Wenn Beatty bereit ist, eine wichtige Referenz zu fälschen, was ist er dann noch bereit zu tun?
Und dies wirft unmittelbar eine weitere Frage auf. Gibt es tatsächlich eine Quelle, die belegt, dass Healy jemals gesagt hat, er sei Zeuge gewesen, wie sein Vater von den Black and Tans getötet wurde? Beatty gibt keine solche Quelle an, aber man kann davon ausgehen, dass es irgendeine Quelle geben muss.
Vor dem Erscheinen von Beattys Buch war die jüngste Version der Geschichte über Healy und die Black and Tans in einer Online-Referenzquelle namens Dictionary of Irish Biography zu finden. Der Eintrag „Thomas Gerard ‚Gerry‘ Healy“ stammt von niemand anderem als... Aidan Beatty. In dieser Version, die laut ihrer Webseite im Jahr 2023 geändert wurde, schreibt Beatty:
Healy fabrizierte Aspekte seiner frühen Lebensgeschichte, wie zum Beispiel seine weit verbreitete Behauptung, er habe als Sechsjähriger gesehen, wie sein Vater von den „Black and Tans“ erschossen wurde. Er entwickelte eine lebenslange Angewohnheit, sein Leben und seine politischen Aktivitäten zu übertreiben oder über sie zu lügen.[5]
Hier offenbart Beatty erneut seine betrügerische Methode. Es wird in den Raum gestellt, dass Healy über seine Kindheit gelogen habe und daher alles, was in seiner Karriere folgte, ein einziges Netz aus Lügen war. Auch hier liefert Beatty jedoch kein Zitat von Healy. Auch die wenigen Quellen, die am Ende des Eintrags aufgeführt werden, führen den aufmerksamen Leser nicht zu Beweisen dafür, dass Healy irgendeine Aussage über die Black and Tans oder etwas anderes getätigt hat. Gerry Healy ist keine Quelle für Aidan Beattys enzyklopädischen Eintrag über Gerry Healy.
Eine frühere Version der Black-and-Tan-Geschichte erschien in einem anderen unausgewogenen Enzyklopädie-Eintrag, der Healy angreift und 2005 veröffentlicht wurde. Er stammt von John McIlroy, der im Laufe der Jahre Mitglied verschiedener pseudolinker Formationen war. In McIlroys Darstellung heißt es: „[Healys] weithin publizierte Erinnerungen an den Tod seines Vaters durch die Black and Tans... haben in der Geschichtsschreibung keine Spuren hinterlassen.“[6] Doch wie Beatty liefert auch McIlroy keinen Beweis dafür, dass Healy jemals eine solche Behauptung aufgestellt hat, geschweige denn, dass er sie „publiziert“ hat, was auch immer das bedeuten mag.
Eine noch frühere Version dieser Geschichte erscheint in einer weiteren Verurteilung Healys, die vom ehemaligen WRP-Mitglied Bob Pitt stammt. Sie wurde nach Healys Tod im Jahr 1989 veröffentlicht und liegt damit vor den Versionen von Beatty und McIlroy, ist aber in ihrer Erzählstruktur ähnlich genug, um sie zur wahrscheinlichsten Quelle für beide zu machen. Pitt schrieb, dass Healys Behauptung, „sein Vater sei von den Black and Tans ermordet worden“, „vielleicht nur ein weiterer der Mythen ist, die er über seine eigene Geschichte kultivierte“.[7] Doch weder Pitt noch Beatty oder McIlroy legen Belege dafür vor, dass Healy so etwas jemals gesagt hat.
Beatty zitiert weder Pitt noch McIlroy in diesem Abschnitt seines Buches, der sich mit Healys Jugend befasst. Doch alle drei verwenden bemerkenswert ähnliche Formulierungen. Beatty schreibt, dass die Black-and-Tan-Geschichte „weit verbreitet“ gewesen sei und „weithin zirkulierte“. McIlroy bezeichnet sie als „weithin publiziert“. Aber wenn es wahr wäre, dass dieser „Mythos“ „weit verbreitet“ und „weithin publiziert“ wurde, dann würde man erwarten, Belege dafür zu finden, dass Healy das irgendwann gesagt hat: eine Rede, einen Brief, einen Zeitungsartikel, Notizen von einem Treffen – irgendetwas. Doch keiner dieser Autoren, die aus ihrem Hass auf Healy keinen Hehl machen, legt ein solches Dokument vor.
Es ist möglich, dass es sich bei der ursprünglichen Quelle der Geschichte um den Zionisten und rechten „Sozialisten“ Sean Matgamna handelt, der den Abzug der britischen Truppen aus Nordirland und der amerikanischen Streitkräfte aus dem Irak abgelehnt hat.[8] Der gebürtige Ire Matgamna war von 1960 bis 1963 Mitglied von Healys Socialist Labour League (SLL), bis er ausgeschlossen wurde. Matgamna hat Verbindungen zu zwei der genannten Autoren – McIlroy und Beatty. Er und McIlroy waren in denselben politischen Gruppierungen aktiv, bevor sie sich öffentlich bitter entzweiten, wobei es offenbar nicht um politische Fragen ging.[9] Beatty interviewte Matgamna und korrespondierte mit ihm, als er das Buch schrieb, obwohl er ihm keine Informationen über Healys Jugend zuschreibt.
In einer 2008 oder 2009 ins Internet gestellten Hetzschrift – es ist nicht klar, wann sie ursprünglich verfasst wurde – behauptet Matgamna, Healy habe ihm erzählt, sein Vater sei von den Black and Tans getötet worden, „als ich das erste Mal mit ihm sprach“, also in den frühen 1960er Jahren.[10] Warum hätte Healy diese persönlichen Informationen bei seinem ersten Treffen mit Matgamna, also mit jemandem, den er kaum kannte, teilen sollen? Abgesehen davon, dass viel Zeit verstrichen ist und wieder einmal keine weiteren Belege vorgelegt werden, zeigt der Rest von Matgamnas Aufsatz, dass er kaum als glaubwürdiger Zeuge gelten kann. Es finden sich mehrere offenkundige Lügen. Matgamna spricht zum Beispiel einem von irischen Stalinisten verbreiteten Gerücht Glaubwürdigkeit zu, wonach Healy gar nicht aus Irland stammte.
Versionen der „Black and Tan“-Geschichte finden sich nicht nur bei Healys politischen Gegnern und Dämonologen – Beatty, Matgamna, Pitt und McIlroy – sondern auch bei seinen Hagiographen, die versuchen, Healy zu verherrlichen. In einer Chronologie von Healys Leben, die 1990 in der Zeitschrift Marxist Monthly veröffentlicht wurde, wird als Tatsache behauptet, dass Healys Vater „von den Black and Tans getötet wurde“[11], ohne dass eine Jahreszahl oder andere Angaben beigefügt werden. Ein politisch unkritischer Nachruf, verfasst von Healys Verbündeten Corrina Lotz und Paul Feldman, schildert die Episode wie folgt:
Sein Vater wurde eines von Tausenden Opfern des Terrors, als die Black and Tans in die Gegend eindrangen und Michael Healy vor den Augen seiner Familie ermordeten. Gerrys Mutter, Margaret Mary, war von der brutalen Ermordung ihres Mannes so schockiert, dass ihr Haar innerhalb weniger Wochen weiß wurde.[12]
Der Nachruf von Lotz und Feldman enthält auch hier keine Belege. In einer anderen Hommage an Healy, die von Terry Burton verfasst und 2006 veröffentlicht wurde, wird die gleiche Behauptung aufgestellt.[13]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sieben Autoren in acht verschiedenen Quellen etwas als Tatsache wiedergegeben haben, was Healy angeblich über seine Jugend gesagt haben soll, nämlich dass sein Vater von den Black and Tans getötet worden sei. Alle diese Quellen wurden nach Healys Tod veröffentlicht und können daher von Healy weder überprüft noch widerlegt werden. Keiner dieser Autoren liefert Belege dafür, dass Healy diese Behauptung jemals aufgestellt hat. Nirgends wird auf eine Schrift oder Rede von Healy Bezug genommen.
Zudem gibt es in den Formulierungen Diskrepanzen, die einen Mangel an archivarischer Unterfütterung der Geschichte offenbaren. So gibt Beatty das Jahr der Episode mit 1919 an, während Matgamna das Jahr 1920 angibt. Feldman und Lotz geben keine Jahreszahl an, stimmen aber mit Beatty darin überein, dass Healy gesagt haben soll, er sei Zeuge der Erschießung seines Vaters gewesen. Zwei der Quellen enthalten nicht das nicht unwesentliche Detail, dass Michael Healy erschossen wurde, was die Möglichkeit offen lässt, dass Healy sagte, sein Vater sei auf andere Weise getötet worden.
Eine Quelle, auf die Beatty für die Black-and-Tan-Geschichte nicht Bezug nimmt, ist David Norths Nachruf Gerry Healy und sein Platz in der Geschichte der Vierten Internationale, weil dieser auf den wahrscheinlich apokryphen Ursprung der Geschichte hinweist. In seinem ebenso objektiven wie kritischen Essay nimmt North nicht Bezug auf eine solche Geschichte. In Bezug auf Healys Jugend in Irland kommt North, der über Jahre hinweg eng mit Healy zusammenarbeitete, zu dem Schluss, dass Healy „keinerlei autobiographische Aufzeichnungen hinterlassen“[14] habe. Dass Healy eine solche Geschichte nicht erzählt hat, wurde dem Autor dieser Zeilen von Barbara Slaughter bestätigt, die mit 96 Jahren die älteste lebende britische Trotzkistin ist und deren früherer Ehemann, der verstorbene Cliff Slaughter, jahrzehntelang einer von Healys engsten Mitarbeitern war.
Was geschah dann mit Michael Healy? Ist möglicherweise ein Körnchen Wahrheit in der Geschichte enthalten?
Hier stoßen wir sofort auf weitere Widersprüche in Beattys grobschlächtiger Manipulation von Healys Lebensgeschichte. In seinem enzyklopädischen Eintrag über Healy, der 2023 veröffentlicht wurde, schreibt Beatty, Healys Vater habe „mindestens bis in die 1930er Jahre gelebt“[15], aber in seinem Buch, das weniger als ein Jahr später veröffentlicht wurde, schreibt er, dass Michael Healy „sicherlich noch bis in die 1920er und wahrscheinlich sogar bis in die 1930er Jahre lebte“. Tatsächlich ist sich Aidan Beatty keineswegs so „sicher“. Im selben Absatz berichtet er, dass „keine Sterbeurkunde zu existieren scheint“ und dass „es nicht klar ist, was aus seinem Vater geworden ist“. Beatty spekuliert, ohne einen Verweis anzugeben, dass Michael Healy „möglicherweise in einer psychiatrischen Klinik gestorben ist“. Und doch berichtet er als sicher, dass „Healys Mutter Margaret Mary in den 1930er Jahren in Tipperary Town etwa 100 Meilen südlich von Galway lebte“ und dass der Besitz der Familie „nur auf den Namen der Mutter eingetragen war“. Für eine fromme irisch-katholische Familie sind dies gewiss merkwürdige Umstände.[16]
Beattys Mangel an Zitaten auf diesen Seiten ist haarsträubend. Er stellt Vermutungen über das Schicksal von Michael Healy an, ohne einen einzigen Quellenverweis anzugeben. Auf der nächsten Seite gibt er an, dass die beiden jüngeren Brüder Gerry Healys ihm in die Emigration nach England folgten, wo beide an Tuberkulose starben. Doch auch hier gibt er keine Quelle an. Er schreibt, dass auch eine Schwester nach England kam, um in ein Kloster einzutreten, und er behauptet, Healy habe gelogen, als er sagte, sie sei an Tuberkulose gestorben. Doch auch hier finden wir in Beattys Referenzen keinen Hinweis darauf, dass Healy jemals eine solche Behauptung über seine Schwester aufgestellt hat.[17]
Was auch immer Michael Healys eigenes Schicksal sein mag, sein Verschwinden deutet auf eine Familie in großer Not hin. Dies gilt auch für Healys eigene Auswanderung aus Irland, wo er als 13-jähriges Kind ein Leben als Lohnarbeiter führte. Das Gleiche gilt für die Auswanderung seiner Geschwister und den Tod seiner beiden Brüder an Tuberkulose in London, sofern das zutrifft.
Dennoch bemüht sich Beatty, Healy als ein Kind von Privilegierten darzustellen. Er behauptet unverblümt, dass Healy in „relativem Wohlstand“, sogar als Teil einer „landbesitzenden katholischen Bourgeoisie“ und mit den „Söhnen der Bourgeoisie“ aufgewachsen sei. Beattys einziger Beweis dafür, dass die Familie Healy wohlhabend gewesen sei, besteht darin, dass sie ihm zufolge eine 109-Hektar-Farm besaß.[18] Doch wieder einmal verstößt Beatty gegen die Regeln der Wissenschaft, indem er nichts – keine Endnote, keinen internen Verweis oder eine Quelle – angibt, damit diese Behauptung überprüft werden kann.
Selbst wenn dies zuträfe, würde dies eine Familie kaum in die Reihen der Bourgeoisie aufsteigen lassen. Wie Kerby Miller, ein führender irischer Historiker, dem Autor mitteilte, muss bei der Bestimmung des Reichtums einer kleinen Landbesitzerfamilie nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Bodens bekannt sein. „Ein Großteil des Landes in diesem Teil der Welt besteht aus Moor und Felsen“, so Miller. „Im Alter von 13 Jahren gingen die ‚Söhne der Bourgeoisie‘ auf das Blackrock College oder, wie Joyce, auf den Clongowes Wood und das University College Dublin, nicht in die Londoner Slums.“[19]
Unter Beattys ersten 16 Quellenangaben zu Kapitel 1, das Healys Jugendzeit behandelt, findet sich kein einziger Hinweis auf etwas, das Healy selbst geschrieben oder gesagt hat. Darüber hinaus wurde das Projekt, das er als „Oral History“ bezeichnet, mit dem Versprechen durchgeführt, dass die Abschriften nicht veröffentlicht würden.[20] Der Leser hat keine Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit oder den Wahrheitsgehalt der Aussagen der Befragten zu überprüfen.
Kehren wir nun zur Frage der Geschichte Irlands zurück. Die Tatsache, dass Healy in Irland geboren wurde und dass Beatty ein Historiker der irischen Geschichte ist, verschafft ihm vermeintlich einen Zugang zum Thema. Schon die erste Zeile des Vorworts des Buches deutet darauf hin, dass aus dieser Verbindung etwas gemacht wird, wenn Beatty den Lesern mitteilt: „Dies ist ein Buch über einen autoritären und ausfälligen Iren namens Gerry Healy und die politische Welt, die er und andere geschaffen haben.“[21] Das wirft eine Frage auf. Was hat die Tatsache, dass Healy ein Ire („Irishman“) war, mit Autoritarismus und Ausfälligkeit zu tun? Wir erfahren es nicht. Beatty bringt es auf gerade einmal zwei Seiten, die sich nur nebenbei mit irischer Geschichte befassen.
Eine echte Geschichte würde voraussetzen, dass der Biograf den Kontext von Healys Jugend darlegt. Beatty liefert ihn nicht. Wie North schreibt,
Beattys Darstellung enthält keinerlei Diskussion, geschweige denn eine Analyse der Welt, die Healy hervorgebracht hat. Es ist ein Buch ohne historischen Kontext. Abgesehen von ein paar schlecht recherchierten Details über Healys familiären Hintergrund gibt es keinen Überblick über Irland im Jahr 1913, als er geboren wurde, und die zehn Jahre danach. Die sozialen Verhältnisse in Irland, der Osteraufstand und der Ausbruch des Bürgerkriegs, die Jahre des britischen Terrors, die Gründung der Republik, die Politik des irischen Nationalismus, die Teilung des Landes und die führenden Politiker der damaligen Zeit werden ignoriert. Die Namen James Connolly, Michael Collins und Éamon de Valera tauchen nicht auf. Alle grundlegenden Fragen zum Zusammenspiel von objektiven Bedingungen und dem Leben eines Individuums, die einen seriösen Biografen beschäftigen würden, hat Beatty ignoriert, obwohl er selbst irischer Abstammung ist.
In dieser Hinsicht ist McNamaras War and Revolution in the West of Ireland: Galway, 1913-1922 eine große Hilfe. Wie wir festgestellt haben, verwendet Beatty als „Beweis“ für eine Behauptung, die er Healy nie nachweisen kann, eine Totenliste aus McNamaras Buch für das Jahr 1920 und die erste Hälfte von 1921.
Beattys Missbrauch von McNamaras Buch geht jedoch über diesen einfachen „Fehler“ hinaus. Beatty spielt die Heftigkeit der Kämpfe in Galway herunter, indem er schreibt, dass „die politische Gewalt... sich hauptsächlich auf Dublin an der Ostküste in der südlichen Provinz Munster konzentrierte... Galway und die umliegende westliche Provinz Connacht waren davon weniger betroffen“. Die Gewalt in Galway habe im 19. Jahrhundert stattgefunden, meint Beatty, und die Stadt sei „in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts ruhiger geworden“ (Hervorhebung hinzugefügt).[22]
Diese Behauptung wird ohne Seitenangabe auf McNamaras Studie gestützt. Zu Beattys Leidwesen zeigt McNamaras Arbeit genau das Gegenteil: Blutige Kämpfe waren in Galway allgegenwärtig. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass „die Erfahrungen der ländlichen Gemeinden in Galway bezüglich des extremen Ausmaßes an Gewalt gegen Zivilisten und Mitglieder der Volunteers mit denjenigen der umkämpftesten Gebiete Irlands vergleichbar sind“. Die Stadt Galway „erlebte zwischen September und November 1920 eine anhaltende Periode gewalttätiger Repressalien“, so dass diese „Periode als ‚der Terror‘ in den lokalen Sprachgebrauch einging“.[23]
Wer sich ein Bild von der Brutalität dieser Periode der irischen Geschichte machen möchte, tut gut daran, McNamaras Studie zu lesen. Sie ist erschütternd. Seine Forschung bringt Fälle von Männern zutage, die in der Öffentlichkeit oder aus ihren Häusern entführt wurden; Männer, die inhaftiert, nackt ausgezogen und öffentlich ausgepeitscht wurden; Männer, die gefoltert und hingerichtet wurden; Frauen, die vergewaltigt wurden; sowie Formen der kollektiven Bestrafung wie das Verbrennen von Häusern. Aus den Seiten von McNamaras Buch geht ein Galway hervor, das – wie Irland insgesamt – in den Jahren von Gerry Healys Kindheit ein enormes Trauma durchlebte.
Um auf Healys angebliche Black-and-Tan-Geschichte zurückzukommen: Ist es angesichts des Ausmaßes der Gewalt in Galway möglich, dass der junge Healy tatsächlich Zeuge eines oder sogar mehrerer Morde war? Oder dass ein Verwandter, ein Bekannter der Familie oder ein Nachbar getötet wurde? Ist es möglich, dass Healy – der nach allem, was man hört, sehr selten über seine Jugend sprach – bei einer Gelegenheit auf solche Ereignisse Bezug genommen hat? Und dass die Geschichte bei der Nacherzählung durch andere als Healy verändert wurde und ein Eigenleben entwickelte? Sicherlich hinterlässt das Trauma, das Kindern durch Ereignisse wie die irische Revolution und den Bürgerkrieg zugefügt wurde, schwierige und verdrängte Erinnerungen, eine Tatsache, die von Psychologen eingehend untersucht worden ist. Man fragt sich zum Beispiel, welche Erinnerungen bei den Kindern in Gaza verbleiben werden, die Israels Völkermord überlebt haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Healy wurde 1913 geboren. Als er ein Jahr alt war, begann der Erste Weltkrieg, woraufhin etwa 35.000 irische Männer nach Frankreich zogen und nie mehr zurückkehrten. Die ersten Erinnerungen des Kindes könnten mit dem Osteraufstand verbunden sein, als Healy gerade drei Jahre alt war. Wahrscheinlich hatte er bewusste Erinnerungen an die Spanische Grippe, die im Alter von fünf Jahren ausbrach, ein Viertel der irischen Bevölkerung befiel und 23.000 Menschen tötete. Er hätte sich sicherlich an den Unabhängigkeitskrieg erinnert, der begann, als er sechs Jahre alt war, und an den grausamen Bürgerkrieg, der tobte, als er neun Jahre alt war. Irgendwann während seiner frühen Kindheit, verlor er seinen Vater – wie, das wissen wir nicht. Healy war noch ein Kind, als er Irland verließ und nie mehr zurückkehrte.
Angesichts der Erfahrungen seiner Generation armer irischer Jugendlicher ist es nicht verwunderlich, dass Healy, wie David North schrieb, ein „harter Mann“ wurde.
Sein Charakter war durch die Erfahrungen seiner von Armut gezeichneten Jugend und durch das schwierige Leben eines Revolutionärs während der dreißiger Jahre geformt worden. Wie Cannon, den er bewunderte, war Healy ein Arbeiterkommunist „der alten Schule“. Sein Marxismus wurzelte in einem brennenden Hass auf das kapitalistische System, dessen Brutalität er persönlich kannte. Er wusste, wie es war, mit den Schuhen an den Füßen (damit sie nicht gestohlen wurden) in öffentlichen Armenunterkünften zu übernachten; Tag für Tag und Monat für Monat vor dem Arbeitsamt Schlange zu stehen; es mit den Angriffen berittener Polizei gegen Arbeitslosendemonstrationen aufzunehmen; und tagelang ohne Essen auszukommen.
Wie North jedoch weiter erklärte:
Aber die Erfahrung persönlicher Armut war nicht die einzige und auch nicht die wichtigste Grundlage seiner „Härte“. Healy gehörte zu einer Generation, deren Auffassungen über revolutionären Kampf und Opfer von den welterschütternden Leistungen der Bolschewistischen Partei inspiriert waren. Für Arbeiter wie Healy bewiesen die Ereignisse von 1917, dass die sozialistische Revolution kein Ereignis für die ferne Zukunft war. Für sie war es eine praktische Aufgabe. Bis zu den letzten, tragischen Jahren lebte Healy für die Revolution, und die Revolution lebte in Healy. Diese Leidenschaft hob ihn unmissverständlich von allen anderen in der Arbeiterbewegung ab. Neben ihm erschienen die Führer der opportunistischen Organisationen als kleine Amateure oder Scharlatane.[24]
Diese Rezension hat den Leser zu einer genauen Lektüre einiger weniger Seiten von Aidan Beattys Biographie über Gerry Healy eingeladen. Sie hat gezeigt, dass Beatty absichtlich Fakten falsch zurate gezogen hat – ein schweres Vergehen unter professionellen Historikern – und dass er keine originellen Nachforschungen über Healys Jugend angestellt hat. Seine „Nachforschungen“ bestanden lediglich darin, ohne Quellenangabe fraktionell motivierte Angriffe auf Healy zusammenzuflicken.
Vor allem aber zeigt die Rezension Beattys völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem historischen Kontext – in diesem Fall der wahrscheinlich turbulentesten Periode der modernen irischen Geschichte nach der Hungersnot der 1840er Jahre. Das Ergebnis ist ein Geschichtsbuch ohne Geschichtsschreibung und eine Biografie mit erfundener oder verzerrter Darstellung ihres Gegenstands.
Aidan Beatty, The Party Is Always Right: The Untold Story of Gerry Healy and British Trotskyism, Pluto Press, London 2024 (Aus dem Englischen):
https://public.ebookcentral.proquest.com/choice/PublicFullRecord.aspx?p=31500361
David Broder, „The Damage Gerry Healy Wrought: An Interview with Aidan Beatty“, in: Jacobin, 29. September 2024, aufgerufen am 6 Oktober 2024:
Beatty, The Party Is Always Right, S. 161
Conor McNamara, War and Revolution in the West of Ireland: Galway, 1913-22, Irish Academic Press, Newbridge (Irland) 2018 (Aus dem Englischen), S. 250, 252, 286-289:
https://search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true&scope=site&db=nlebk&db=nlabk&AN=2045595
„Healy, Thomas Gerard (‚Gerry‘) | Dictionary of Irish Biography“, aufgerufen am 6. Oktober 2024:
https://www.dib.ie/biography/healy-thomas-gerard-gerry-a10340
„Thomas Gerard (Gerry) Healy (1913-1989): Trotskyist Leader by John McIlroy“, aufgerufen am 6. Oktober 2024:
https://www.marxists.org/history/etol/writers/mcilroy/gerry-healy.htm
„British Trotskyism: Trotskyist Writers: Gerry Healy: The Rise and Fall of Gerry Healy“, aufgerufen am 6. Oktober 2024:
https://www.marxists.org/history/etol/writers/healy/pitt/index.html
„Sean Matgamna“, in: Wikipedia, 28. Juni 2024:
https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Sean_Matgamna&oldid=1231496083
„The ‚pro-Imperialism‘ of the Alliance for Workers Liberty | Workers’ Liberty“, aufgerufen am 6. Oktober 2024:
https://www.workersliberty.org/story/2009/04/22/pro-imperialism-alliance-workers-liberty
„John McIlroy: Letter - ‚Solidarity‘ and ‚Revolutionary History‘“, aufgerufen am 6. Oktober 2024:
https://www.marxists.org/history/etol/revhist/backiss/vol9/no1/mcilroy.html
„Gerry Healy and British Trotskyism | Workers’ Liberty“, aufgerufen am 6. Oktober 2024:
https://www.workersliberty.org/story/2008/06/05/gerry-healy-and-british-trotskyism
„Gerry Healy: A Chronology“, in: The Marxist Monthly: Theoretical Journal of the Marxist Party, Band 2 Nr. 12 (1. Februar 1990), S. 500
Corinna Lotz und Paul Feldman, Gerry Healy: A Revolutionary Life, Lupus Books, London 1994, S. 195:
https://archive.org/details/gerryhealyarevolutionarylife/page/n107/mode/2up
David North, Gerry Healy und sein Platz in der Geschichte der Vierten Internationale, Arbeiterpresse Verlag (1992), S. 20
„Healy“, Dictionary of Irish Biography
Beatty, The Party Is Always Right, S. 2
Ebd.: S. 3
Ebd.: S. 1-2; „The Damage Gerry Healy Wrought“
Korrespondenz mit Kerby Miller, Oktober 2024
Aidan Beatty, Post auf X, 4. Mai 2022
Beatty, The Party Is Always Right, S. 1
Ebd.: S. 1
McNamara, War and Revolution, S. 189, 193
North, Gerry Healy, S. 115-116
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