Inmitten des Stellenabbaus globaler Autokonzerne:

Stellantis-Vorstandschef Carlos Tavares zum Rücktritt gezwungen

Carlos Tavares, ist am Sonntag, den 1. Dezember, von seiner Position als Stellantis–CEO zurückgetreten. Er hatte diesen Posten seit der Konzerngründung inne, als Stellantis im Januar 2021 durch eine Fusion von PSA und Fiat Chrysler entstand.

Tavares wird damit ein Jahr vor Ablauf seines Vertrags entlassen, hauptsächlich deshalb, weil die Profite und die Aktienwerte gesunken sind, und es ihm offenbar nicht gelang, die Kosten für die Wall Street und die europäischen Investoren schnell genug zu senken.

Vorstandschef Carlos Tavares beim Software Day von Stellantis im Dezember 2023 (Stellantis Media)

Reuters berichtete: „Tavares galt früher als einer der angesehensten Führungskräfte der Autoindustrie, geriet jedoch Anfang des Jahres stark in die Kritik, nachdem Stellantis für seine Jahresergebnisse 2024 eine Gewinnwarnung herausgegeben hatte. Sie beinhaltete eine Prognose für einen Cash-Burn von bis zu zehn Milliarden Euro, hauptsächlich aufgrund schleppender Verkaufszahlen und aufgeblähter Lagerbestände auf dem wichtigen nordamerikanischen Markt.“ 

Nach einem Rekord-Nettogewinn von 20 Milliarden Dollar im Jahr 2023 gingen die Gewinne in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 um die Hälfte zurück. Seit Anfang des Jahres haben die Stellantis-Aktien rund 40 Prozent ihres Werts verloren. 

Tavares trat in die Fußstapfen seines Mentors bei Renault-Nissan, Vorstandschef Carlos Ghosn, der sich den Spitzname „Le Cost Killer“ (der Kostensenker) verdient hatte. Kaum hatte er 2014 den Posten des Vorstandschefs der Groupe PSA übernommen, schon ließ Tavares mehrere europäische Werke von Peugeot, Citroën, später auch von Opel schließen und bereitete den Konzern auf die Fusion mit Fiat Chrysler (FCA) vor.

Seit dem Zusammenschluss hat Stellantis laut öffentlich zugänglichen Daten bis 2023 weltweit seine Belegschaften um 15,5 Prozent, bzw. um knapp 47.500 Mitarbeiter reduziert. Die desjährigen Massenentlassungen in den USA, Italien, Polen, Großbritannien, Deutschland und anderen Ländern sind darin noch nicht enthalten. 

Die Kontrolle über das operative Geschäft liegt nun in den Händen eines Interims-Exekutivausschusses unter dem Vorsitz von John Elkann, dem Haupterben der italienischen Agnelli-Familie, die eine Mehrheitsbeteiligung an Stellantis, Ferrari, CNH Industrial, der Iveco Group, FC Juventus und der Economist Group hält. Elkann dankte Tavares für seine Rolle „bei der Gründung von Stellantis sowie bei den früheren Sanierungen von PSA und Opel“ und erklärte, ein neuer Vorstandschef werde in der ersten Jahreshälfte 2025 ernannt.

Der Senior Independent Director  im Stellantis-Aufsichtsrat, Henri de Castries, räumte in einer Pressemitteilung ein, dass es Konflikte um die Ausrichtung des Unternehmens gegeben hatte: „In den letzten Wochen haben sich unterschiedliche Ansichten herauskristallisiert, die den Vorstand und den Vorstandsvorsitzenden zu der heutigen Entscheidung veranlasst haben.“ 

Tavares selbst sprach von der immer brutaler geführten Aufholjagd, die sich europäische und amerikanische Autobauer mit den besser ausgerüsteten und kostengünstiger produzierenden chinesischen Herstellern von E–Autos liefern,  als von einem „darwinistischen“ Kampf, den wohl nur eine Handvoll internationaler Autobauer überstehen werde. Wie andere Vorstandschefs der Autoindustrie versuchte auch er, die hohen Kosten des verlangsamten Übergangs zur E-Mobilität dadurch auszugleichen, dass er die Arbeits- und Zuliefererkosten absenkte und die Stückgewinne durch Preiserhöhungen bei den lukrativsten Fahrzeugen anhob.

Allerdings wurde dies von einer Wirtschaftskrise durchkreuzt, die dazu führte, dass alle drei US-Autobauer sinkende Umsatzzahlen verzeichneten, weil weniger Autos gekauft wurden und gleichzeitig im dritten Quartal die Zinsen stiegen. Zu allem Überfluss hat jetzt die kommende Trump-Regierung Pläne angekündigt, die Subventionen für Elektrofahrzeuge zu streichen und erdrückende Zölle zu verhängen, die die Kosten für die Autobauer erhöhen werden.

Tavares‘ Entlassung wird die Krise nicht lösen. Der Vizepräsident für globale Fahrzeugprognosen bei AutoForecast Solutions, Sam Fiorani, erklärte in einer aufschlussreichen Stellungnahme gegenüber der Detroit Free Press, der nächste Stellantis-Vorstandschef müsse noch brutalere Kostensenkungsmaßnahmen durchführen, selbst wenn er damit großen Widerstand der Belegschaft provoziert.  Fiorani erklärte:

Da Stellantis noch immer versucht, die Kombination von vier Autobauern zu verdauen, ist die Unternehmensführung zwangsläufig eine der schwierigsten Positionen in der Industrie. Das ist eine wenig beneidenswerte Position, die wahrscheinlich nicht ohne Werksschließungen, Konsolidierung der Marken und Arbeitsplatzabbau zu bewältigen ist. Tavares war dazu bestimmt, entweder der Feind der Fabrikarbeiter oder der Feind der Aktionäre zu sein, da es unmöglich war, beide Seiten zufriedenzustellen. Sein Nachfolger wird mit den gleichen Problemen und vermutlich mit dem gleichen Ergebnis konfrontiert werden.

Stellantis Arbeiter beim Schichtwechsel, Warren Truck bei Detroit, 9. Juli 2024

Tavares galt also im Wesentlichen als abgewirtschaftet. Mit der Entscheidung, den Blitzableiter für die Wut der Arbeiter zu entfernen, hofft der Stellantis-Vorstand darauf, bei der „Umstrukturierung“ besser mit der UAW und den britischen, italienischen und deutschen Gewerkschaften zusammenzuarbeiten.

Wie zu erwarten, versucht die Bürokratie der United Auto Workers (UAW), die Arbeiter mit der Behauptung, Tavares‘ Nachfolger sei ein Glückstreffer, hinters Licht zu führen. UAW-Präsident Shawn Fain lobt Tavares‘ Entlassung als „großen Schritt in die richtige Richtung für ein Unternehmen, das schlecht geführt wurde, und für eine Belegschaft, die zu lange schlecht behandelt wurde“. Fain weist darauf hin, dass die Gewerkschaft an das Management appelliert hatte, Tavares zu ersetzen, und er fügt hinzu:

Wir sind erfreut, dass das Unternehmen auf den Druck reagiert und seinen Kurs korrigiert hat. Wir freuen uns auf eine neue Stellantis-Führung, die die hart arbeitenden UAW-Mitglieder respektiert und bereit ist, ihre Versprechen an Amerika einzuhalten, indem sie in die Menschen investiert, die ihre Produkte herstellen. (...) Wir freuen uns darauf, uns mit dem neuen Vorstandschef zusammenzusetzen und über seine Pläne zu diskutieren, hier in den Vereinigten Staaten Weltklasse-Autos zu bauen.

Im Rahmen der verlogenen „Keep the Promise“ [Haltet euer Versprechen]-Kampagne der UAW, die aus wirkungslosen Beschwerden und Drohungen mit einem nicht näher bezeichneten Streik in ferner Zukunft besteht, versprüht Fain nationalistisches Gift. So behauptete er, der Stellenabbau sei auf die Verachtung des gebürtigen Portugiesen Tavares für die amerikanischen Arbeiter und auf seine Verlagerung der Produktion nach Kanada und Mexiko zurückzuführen.

Gleichzeitig behauptete Fain, den US-Konzernen GM und Ford „geht es gut“, obwohl beide Unternehmen seit den Ausverkaufsverträgen, die die UAW-Bürokratie im Jahr 2023 nach ihrem betrügerischen „Stand-Up-Streik“ unterzeichnete, Arbeiter entlassen haben.  

Zudem ist der Stellenabbau in den USA Teil einer internationalen Welle von Entlassungen durch die globalen Autobauer. 

  • Stellantis droht, in Italien bis zu 12.000 Arbeitsplätze abzubauen, hat erst kürzlich ein Motorenwerk in Polen geschlossen, droht mit der Schließung zweier Vauxhall-Werke in Großbritannien und greift auch die Opel-Arbeiter in Deutschland mit Stellenabbau und Kürzungen an. 
  • Ford hat im letzten Monat den Abbau von 4.000 Arbeitsplätzen angekündigt, darunter 2.900 in Deutschland.
  • VW droht mit der Schließung von drei Werken, dem Abbau von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen und einer 20-prozentigen Lohnsenkung für ihre 120.000 Arbeiter in Deutschland.
  • Bosch, der weltweit größte Autozulieferer, hat ebenfalls über 5.000 Entlassungen angekündigt.
  • Nissan baut weltweit 9.000 Arbeitsplätze ab; VW, GM und andere Autobauer streichen Zehntausende von Arbeitsplätzen in China. 

Das globale Ausmaß des Stellenabbaus – nicht nur in der Autoindustrie, sondern auch in der Technologie- und Logistikbranche, im Einzelhandel und anderswo – macht deutlich, dass es in keinem Land für die Arbeiter eine nationale Lösung gibt. Insbesondere ist Trumps reaktionärer Nationalismus eine Sackgasse für die Arbeiterklasse. Trump hat massive Zölle gegen Mexiko, Kanada, Europa und China angekündigt, und damit liegt er auf einer Linie mit der UAW-Bürokratie und ihrem nationalen Chauvinismus.

Die Autoarbeiter sind Teil eines einzigen globalen Produktionsprozesses. Jeder Versuch, die Produktivkräfte in die Schranken einer „Festung Amerika“ zu zerren, wird nur zu Handelskrieg, Zusammenbruch der Weltwirtschaft und zum Weltkrieg führen, genau wie nach der Verabschiedung des Smooth Hawley Tariff Act im Jahr 1930. Gleichzeitig soll das Schüren nationaler Streitigkeiten und von ausländerfeindlichem Chauvinismus sowie die Versuche, eingewanderte Arbeiter abzuschieben, die Arbeiterklasse spalten und schwächen, während die künftige Trump-Regierung einen hemmungslosen Klassenkrieg gegen die sozialen und demokratischen Rechte aller Arbeiter vorbereitet.  

Der Kampf zur Verteidigung des Rechts auf gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze für alle Arbeiter erfordert den Aufbau von Aktionskomitees in allen Fabriken und Betrieben, um die Macht von den Gewerkschaftsbürokraten an die Arbeiter zu übertragen. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IAW-RFC) wird solche Organisationen der Arbeiterselbstbestimmung aufbauen, und sie entstehen bereits in vielen Branchen auf der ganzen Welt. Sie werden den Kampf gegen Stellenabbau über nationale Grenzen hinweg koordinieren.

Die Gegenoffensive der Arbeiterklasse muss mit einem bewussten politischen Kampf verbunden werden, um dem kapitalistischen Profitsystem ein Ende zu setzen. Der historische Bankrott des Kapitalismus zeigt sich schon in der Tatsache, dass Arbeiter auf der ganzen Welt, die angeblich „zu viel“ produzieren, zu Arbeitslosigkeit und Armut verdammt werden.

Im Sozialismus werden die riesigen Industrien, einschließlich der globalen Autoindustrie, in Versorgungsbetriebe in öffentlichem Eigentum umgewandelt, damit der von der kollektiven Arbeit der Arbeiterklasse produzierte Reichtum nicht allein zur Existenzsicherung eingesetzt werden kann, sondern auch zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit und einer drastischen Erhöhung des Lebensstandards.

Für mehr Informationen über den Aufbau eines Aktionskomitees registriere dich über das unten stehende Formular.

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