Perspektive

Trumps Drohung, das Geburtsrecht auf US-Staatsbürgerschaft abzuschaffen

Der erste Abschnitt des 14. Zusatzartikels zur amerikanischen Verfassung besagt:

Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Einzelstaates, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Keiner der Einzelstaaten darf Gesetze erlassen oder durchführen, die die Vorrechte oder Freiheiten von Bürgern der Vereinigten Staaten beschränken, und kein Staat darf irgend jemandem ohne ordentliches Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz Leben, Freiheit oder Eigentum nehmen oder irgend jemandem innerhalb seines Hoheitsbereiches den gleichen Schutz durch das Gesetz versagen.

Donald Trump schlägt vor, das Geburtsortsprinzip am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit per Anordnung abzuschaffen. Damit würde das demokratische Grundrecht ausgehebelt, auf dem der 13., 14. und 15. Verfassungszusatz beruhen: dass die Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen demokratischen Rechte allen in den Vereinigten Staaten geborenen Personen zustehen und dass keine Abteilung der Regierung sie abschaffen kann.

Ein Vater und sein Sohn in San Juan, Texas [AP Photo/Eric Gay]

Zusammen mit dem 13. Zusatzartikel, der die Sklaverei verbietet, und dem 15. Zusatzartikel, der das Wahlrecht garantiert, sind die drei Zusatzartikel als „Civil War Amendments“ bekannt, weil sie die revolutionären Rechte gesetzlich verankern, die in den vier Jahren des Amerikanischen Bürgerkriegs errungen wurden. Wie der Historiker Richard White von der Stanford University erklärt, wollten die Verfasser des 14. Zusatzartikels „ebenso wie Lincoln die Gedanken der Unabhängigkeitserklärung zum Leuchtturm der Republik machen“. Das Ergebnis war ein Zusatzartikel, der „die allgemeinen Grundsätze der Gleichheit, die Rechte der Bürger und die Prinzipien der natürlichen Rechte in der Verfassung verankerte“.

Die Bestimmung über das Recht auf Staatsbürgerschaft im 14. Zusatzartikel war ein rechtlicher Grundpfeiler der revolutionären Verfassungsänderungen. Er garantierte, dass keine politische Institution oder Regierungsbehörde die Rechte eines Einzelnen oder einer Gruppe beschneiden konnte und dass es nach dem Gesetz keine „Bürger zweiter Klasse“ geben würde. Bei der Ausarbeitung des Zusatzartikels erklärten die Befürworter im Kongress ihre Absicht, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1857 in der Rechtssache Dred Scott v. Sandford zu verwerfen. In diesem Fall war explizit entschieden worden, dass Menschen afrikanischer Abstammung niemals Bürger werden konnten und ihnen auf dieser Grundlage alle Rechte vorenthalten wurden.

Im Gegensatz zu den Lügen von Trump und seinen Helfershelfern war die universelle Staatsbürgerschaftsgarantie des 14. Verfassungszusatzes zum Zeitpunkt seiner Ratifizierung ausdrücklich dazu gedacht, für alle Kinder ehemaliger Sklaven und Einwanderer zu gelten. In Anbetracht dieser historischen Tatsachen ist Trumps Bestreben, das Geburtsortsprinzip abzuschaffen, ein konterrevolutionärer Angriff auf die Rechte der gesamten Bevölkerung und ein Versuch, das Ergebnis des Bürgerkriegs rückgängig zu machen. Das ist keine Übertreibung.

In einem am Sonntag ausgestrahlten Interview mit Kristen Welker von NBC bezeichnete Trump das Geburtsortsprinzip als „lächerlich“ und wiederholte sein Wahlkampfversprechen, Kindern von Eltern ohne Papiere, die in den Vereinigten Staaten geboren wurden, die Staatsbürgerschaft zu verweigern. Wie das Wall Street Journal am Sonntag berichtete, arbeiten Trumps Mitarbeiter an einer Verordnung an die Bundesbehörden. Demzufolge soll ein Kind nur dann automatisch US-Bürger werden, wenn mindestens ein Elternteil die amerikanische Staatsbürgerschaft oder eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung hat. Ein solches Dekret „würde auch die Behörden daran hindern, Pässe, Sozialversicherungsnummern und andere Sozialleistungen an Kinder auszugeben, die die neue Anforderung der Staatsbürgerschaft nicht erfüllen“.

Trumps Pläne richten sich zwar in erster Linie gegen Einwanderer ohne Papiere und ihre Kinder. Aber die Abschaffung des Geburtsortsprinzips würde die Rechte aller Amerikaner gefährden, da die Befugnisse der Exekutive grundlegend verändert würden. Trumps Vorhaben, einen Verfassungszusatz per Dekret außer Kraft zu setzen, verstößt nicht nur ausdrücklich gegen die Gewaltenteilung. Letztlich verfolgt die künftige Trump-Regierung das politische Ziel, sich selbst die Macht anzumaßen, per Exekutivbefehl zu entscheiden, wer Staatsbürger ist und wer nicht.

Trumps rechtsextreme Berater versuchen, im Vorfeld ihrer konterrevolutionären Offensive das politische Klima zu vergiften. „Wenn sich eine Frau bei der Geburt ihres Kindes in diesem Land aufhält, kann das noch kein Grund sein, dass das Kind US-Bürger wird. Das ist einfach nur dumm und sich in einem Gesetz darauf zu berufen, ist völlig unangebracht“, sagte Ken Cuccinelli, Trumps ehemaliger stellvertretender Minister für Heimatschutz. In seinem NBC-Interview drohte Trump auch mit der Abschiebung von US-Bürgern, womit sie daran gehindert werden sollen, ihre Rechte wahrzunehmen. „Die einzige Möglichkeit, die Familie nicht auseinanderzureißen, ist, sie zusammenzuhalten und sie alle zurückzuschicken“, sagte er.

Es ist wahrscheinlich, dass so ein dreister Verstoß gegen die Verfassung vor einem Bundesgericht verhandelt werden würde. Aber jede Entscheidung eines unteren Gerichts gegen die Regierung würde vor dem Obersten Gerichtshof der USA angefochten werden. Gerade der Oberste Gerichtshof hat in der letzten Legislaturperiode den Präsidenten über das Gesetz gestellt, indem er ihm persönliche Immunität für Verbrechen gewährte, die er während seiner Amtszeit begeht. Die Haltung der extremen Rechten zum Angriff auf das Geburtsrecht wurde von dem migrantenfeindlichen Politiker Mark Krikorian gegenüber dem Wall Street Journal auf den Punkt gebracht: „Das Thema vorantreiben und schauen, was passiert.“

Die Verweigerung der Staatsbürgerschaft für Kinder mit Eltern ohne Papiere hätte katastrophale Folgen und käme einem enormen sozialen Verbrechen gleich. Einwandererfamilien und in den USA geborene Kinder wären nicht in der Lage, Sozialleistungen zu beantragen, und würden in extreme Armut fallen. Die Kinder könnten in die Heimatländer ihrer Eltern abgeschoben werden, so dass eine weltweite Diaspora staatenloser Menschen entstünde. Diejenigen, die bleiben, würden völlig aus dem politischen System und vom Wahlrecht ausgeschlossen werden.

Was Trump zuerst mit Einwanderern macht, wird er als nächstes mit Gegnern und Kritikern der US-Regierung tun. Er plant, sich auf den Insurrection Act oder den Alien Enemies Act zu berufen und Bundestruppen im Innern zu stationieren. Damit würde Trump die Vereinigten Staaten de jure in eine Diktatur verwandeln. In der gesamten amerikanischen Geschichte gingen Angriffe auf Einwanderer immer Hand in Hand mit Angriffen auf die Arbeiterklasse und ihre sozialistische Führung.

Trump und seine Berater stellen diesen Zusammenhang ausdrücklich her. 2023 sagte Trump, er wolle Menschen mit linken politischen Ansichten „deportieren“, offenbar unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit: „Ich werde meine Regierung anweisen, allen Kommunisten und Marxisten die Einreise zu verweigern. Aber meine Frage ist: Was machen wir mit denen, die schon hier sind, die hier aufgewachsen sind? Ich denke, für sie müssen wir ein neues Gesetz erlassen.“

Die neue Regierung stellt eine existenzielle Bedrohung für die demokratischen Grundrechte der Massen dar. Die Demokratische Partei, die sich nur darum sorgt, die Kriege gegen die Rivalen des amerikanischen Imperialismus zu eskalieren, wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um die große soziale Wut der Bevölkerung zurückzuhalten, die Trumps Angriffe auf Einwanderer und junge Amerikaner auslösen werden. Der Abgeordnete James Clyburn, der wegen seiner Unterstützung für Biden als „Königsmacher“ der Demokratischen Partei gilt, schlug kürzlich vor, Biden solle Donald Trump für seine Rolle beim Putschversuch vom 6. Januar 2021 begnadigen, um dem aufstrebenden Diktator „einen Neuanfang“ zu ermöglichen.

Die Arbeiterklasse ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, sich über ethnische und nationale Grenzen hinweg zu vereinen und den Kampf gegen die Diktatur anzuführen. Die Arbeiter müssen von dem Grundsatz ausgehen, dass „ein Angriff auf einen ein Angriff auf alle ist“. Nicht die eingewanderten Arbeiter, sondern die herrschende Klasse ist schuld an den sozialen Missständen. Der Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn er sich gegen die Ursache von Diktatur und politischer Reaktion richtet: das kapitalistische System

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