Am vergangen Donnerstag beschloss der Berliner Senat gegen massiven Protest den Nachtragshaushalt für 2025 und damit Kürzungen in Höhe von drei Milliarden Euro. Die beschlossenen Kürzungen bedeuten einen massiven Sozialkahlschlag und betreffen fast alle Bereiche.
Im Bereich Mobilität, Verkehr und Umwelt sollen 660 Millionen Euro, d.h. fast 20 Prozent des gesamten Etats eingespart werden. 150 Millionen Euro werden bei Wohnraumförderung gekürzt. Im Bildungshaushalt werden 370 Millionen Euro gestrichen und im Bereich Wissenschaft, Gesundheit und Pflege 309 Millionen – 8 Prozent des ursprünglichen Etats. Der Kulturbereich verliert mit 130 Millionen Euro 12 Prozent seines bisherigen Etats. Lediglich Polizei und Justiz sind von den Einsparungen ausgenommen.
Auf die enorme Wut in der Bevölkerung und die Proteste, die es insbesondere unter Kunst- und Kulturschaffenden gab, reagierte die Berliner Landesregierung, indem sie ankündigte, Kürzungen im Kulturbereich teilweise zurückzunehmen. Tatsächlich handelte es sich dabei jedoch nur um einen Zahlentrick.
Während für mehrere renommierte Theater-Häuser Kürzungen zurückgenommen oder reduziert wurden, bleibt die Summe, die im Kulturbereich gespart werden soll, dieselbe. Das heißt, die Einsparungen werden lediglich umgeschichtet, insbesondere auf Kosten der freien Kunstszene. So werden beispielsweise die Zuschüsse für den Ausbau von Arbeitsräumen für Künstlerinnen und Künstler jetzt von ursprünglich 21 Millionen Euro auf 3 Millionen Euro reduziert. Die Einsparungen von 18 Millionen Euro sind damit fast acht mal so hoch wie zuvor geplant.
Auch beim Friedrichstadt-Palast wurde die Sparvorgabe um 250.000 auf 1,85 Millionen Euro erhöht. Gelder, die für den Neuausbau des Eingangsbereichs des Berliner Technikmuseums vorgesehen waren, fallen vollständig weg, anstatt wie bisher geplant zur Hälfte.
Besonders schwere Kürzungen gibt es im Hochschul- und Wissenschaftsbereich. Die angekündigten Kürzungen im Bereich Wissenschaft, Gesundheit und Pflege haben sich in den letzten Wochen immer weiter erhöht: von 100 Millionen auf 280 Millionen und jetzt auf 309 Millionen Euro. Allein bei den Hochschulverträgen haben sich damit die Kürzungen von 100 Millionen auf jetzt 142 Millionen Euro erhöht.
Berlins Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege Ina Czyborra (SPD) kündigte bereits an: „Wenn diese Kürzungen über die nächsten Jahre in entscheidender Höhe aufrechterhalten werden, dann kann das auch Abbau von Personal und Studiengängen bedeuten.“ Auch Studienplätze könnten unter Umständen abgebaut werden.
Zum Teil ist das auch schon jetzt spürbar. An der Technischen Universität Berlin erklärte die Personalratsvorsitzende Stefanie Nickel, dass ab dem Jahreswechsel in der zentralen Verwaltung der TU ein Einstellungsstopp gelte. Und das, obwohl ohnehin viele Stellen nicht besetzt seien, weil das nötige Personal unter den aktuellen Bedingungen nicht zu finden ist.
Besonders der akademische Mittelbau, wo die meisten Verträge befristet sind, ist von diesen Kürzungen betroffen. Ursprünglich gab es einen Beschluss des Senats, dass zum 1. April 2025 alle promovierten Beschäftigten im Anschluss an eine befristete Stelle eine unbefristete angeboten bekommen müssen. Vor dem Hintergrund der Kürzungen soll diese beschlossene Entfristungszusage nun wieder abgeschafft werden. Damit wird sich die sowieso bereits prekäre Situation für Tausende von befristet angestellten akademischen Mitarbeitern noch weiter verschärfen.
Auch die Kürzungen des Zuschusses für das Studierendenwerk um 6,55 Millionen Euro, d.h. knapp ein Drittel des bisherigen Betrages, wird verheerende Auswirkungen für die 170.000 Studierenden Berlins haben. Das Studierendenwerk ist zuständig für Bafög-Beratung, Mensen, Cafés, Wohnheime, Kindertagesstätten oder auch Beratungen bei psychischen Problemen.
Auf seiner Webseite hat das Studierendenwerk bereits angekündigt, was die Folgen dieser Kürzungen sein werden, dazu zählen:
- Eine Erhöhung des Sozialbetrags, den Studierende zahlen müssen, von 63 Euro pro Semester auf mindestens 93 Euro, d.h. um 50 Prozent. Bereits zum kommenden Sommersemester, dessen Gebühren bis Mitte Februar gezahlt werden müssen, liegt der Sozialbetrag bei 85 Euro. Dabei müssen bereits jetzt viele Studierende jeden Euro zweimal umdrehen.
- Mehrere Mensa-Standorte werden geschlossen und die Mensa-Preise steigen insgesamt. Die Mensa der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität ist bereits geschlossen. Mindestens zwei Mensa-Backshops werden folgen. Bereits ab dem kommenden Jahr wird das günstigste Mensagericht um 20 Prozent teurer werden. Der Preis für Deserts wird um 7 Prozent steigen.
- Notwendige Sanierungen von Studentenwohnheimen, von denen sich viele in einem sanierungsbedürftigen Zustand befinden, werden auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Wohnheime werden damit dem Verfall überlassen und die nachhaltige Bereitstellung von Wohnraum für Studierende ernsthaft gefährdet. Die Warteliste für ein Zimmer in den Wohnheimen des Studierendenwerks war zum Jahresende 4238 Personen lang, bei einer Mindestwartezeit von 1,5 Jahren. Bereits der Wegfall eines einzigen weiteren Wohnheims hätte dramatische Folgen für betroffene Studierende.
- Kultur- und Unterstützungsangebote für Studierende müssen reduziert werden. Darunter fallen beispielsweise Trainings, die Studierende beim akademischen Schreiben oder bei der Stressbewältigung unterstützen, und andere Maßnahmen, die der psychischen Gesundheit dienen sollen.
Für Zehntausende Studierende, die bereits jetzt unter prekären Umständen leben müssen, werden diese Kürzungen drastische Folgen haben. Die grundlegenden Rechte von Studierenden auf Wohnen, Ernährung und Gesundheit werden direkt beschnitten.
In den letzten Wochen gab es massive Proteste gegen die geplanten Kürzungen. Mehrfach demonstrierten Tausende von öffentlich Beschäftigten, Kunst- und Kulturschaffenden, Pflegern und Studenten gegen den Sozialkahlschlag. Noch am Tag der Verabschiedung selbst versammelten sich 3000 Menschen, überwiegend aus dem universitären Bereich, vor dem Abgeordnetenhaus.
Doch die Proteste blieben in dem Ausmaß beschränkt, in dem ihre Organisatoren selbst die Kürzungs- und die dahinterstehende Kriegspolitik unterstützen. Die meisten der Proteste wurden federführend von der Gewerkschaft Verdi organisiert. Was ihr Verhältnis zu Kürzungen ist, hatte sie bereits in den 2000er Jahren gezeigt. In enger Zusammenarbeit mit der rot-roten Landesregierung setzte sie jedes Spardiktat, Lohnsenkungen und Privatisierungen gegen die Beschäftigten durch.
Besonders deutlich wurde der Charakter der Protestorganisatoren auf der Kundgebung am Tag der Verabschiedung selbst. So war bei dieser Kundgebung Mitorganisatorin und erste Sprecherin die HU-Präsidentin Julia von Blumenthal. Weit davon entfernt, eine Gegnerin von Kürzungen zu sein, will sie diese nur nicht direkt vor ihrer Nase haben.
So erklärte sie im Interview mit dem Tagesspiegel, dass sie anerkenne, „dass das Land Berlin sparen muss“, und lediglich „kritische sehe“, wie gekürzt werde. Auf die Bemerkung des Tagesspiegel, „dass im Kultur- und sozialen Bereich Leute von heute auf morgen ihren Job verlieren“ werden, antwortete sie: „Es ist kein Skandal, wenn politisch etwas entschieden wird. Es ist nur kein gutes Regieren, wenn man seine Entscheidungen und diese Kürzungen nicht begründet.“
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Jugend- und Studierendenorganisation, die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), kämpfen dafür, eine Bewegung gegen den Sozialkahlschlag und die Kriegspolitik aufzubauen, die direkt damit verbunden ist. Eine solche Bewegung muss unabhängig von den Gewerkschaften sein, die allesamt die Aufrüstung und Kriegspolitik der Regierung unterstützen. Aufrüstung und Sozialkahlschlag sind nur zwei Seiten der selben Medaille.
In seiner letzten Sitzung beschloss das Studierendenparlament der Humboldt-Universität auf Antrag der IYSSE die Einberufung einer studentischen Vollversammlung, „um das weitere Vorgehen gegen die Kürzungen an den Hochschulen und in Berlin zu diskutieren und zu organisieren“, und rief alle Studierenden und Lehrenden in Berlin und bundesweit auf, „sich mit den Arbeiter*innen in anderen Bereichen zusammenzuschließen und gemeinsam gegen den sozialen Kahlschlag zu kämpfen“.
Das ist jetzt von enormer Bedeutung. Die IYSSE werden sich an der Vorbereitung dieser Vollversammlung intensiv beteiligen, um sie zum Ausgangspunkt des Aufbaus einer wirklichen Bewegung gegen Krieg und soziale Kürzungen zu machen. Wir rufen alle Studierenden und Arbeiter auf, zur Vollversammlung zu kommen und sich ebenfalls an den Vorbereitungen zu beteiligen. Die Kämpfe gegen Kürzungen, Krieg und Faschismus können nicht voneinander getrennt werden, sondern nur als Klassenkampf geführt werden. Diese Perspektive wollen wir mit allen Interessierten diskutieren. Verbreitet diesen Aufruf und nehmt mit uns Kontakt auf!