„Reziproke Zölle“: Wie Trump den globalen Wirtschaftskrieg verschärft

Am Mittwoch verschärfte US-Präsident Donald Trump seinen Wirtschaftskrieg gegen den Rest der Welt. Er leitete eine Untersuchung zur Einführung eines Systems „reziproker Zölle“ ein, das Anfang April in Kraft treten könnte.

Donald Trump auf dem Delaware County Fairgrounds in Ohio, 23.04.2022 [AP Photo/Joe Maiorana]

Diese Maßnahme geht über die Erhebung eines Pauschalzolls auf alle Länder hinaus. Sie droht das seit 1947 funktionierende Welthandelssystem zu zerstören. Ziel ist die Schaffung eines wirtschaftlichen und politischen Blocks, der sich den USA unterwirft, während diese ihr Streben nach der Aufrechterhaltung ihrer Hegemonie in der Welt verstärken, insbesondere gegen das, was sie als Bedrohung durch China wahrnehmen.

Auch wenn es unter der Überschrift „Reziproke Zölle“ läuft, geht es bei Trumps jüngstem Schritt in dem sich ausweitenden Wirtschaftskrieg um weit mehr als Zölle. Bei der Festlegung der zu erhebenden Zölle würde das US-Handelsministerium bestimmen, welche Wirtschafts- und Regulierungspolitik des betreffenden Landes oder der Europäischen Union es für „unfair“ gegenüber den USA erachtet, und die Zölle entsprechend erhöhen.

Zusätzlich zu den Zöllen auf US-Waren würde dies auch Bereiche wie Subventionen, Steueranreize, Umweltvorschriften, den Wert von Währungen im Verhältnis zum US-Dollar, die Handelsbilanz mit den USA, die Mehrwertsteuer, den Schutz des geistigen Eigentums und die Vorschriften für den Betrieb von High-Tech-Unternehmen und Unternehmen im Bereich der sozialen Medien umfassen.

Bei der Ankündigung der Untersuchung im Oval Office sagte Trump: „Ich habe beschlossen, aus Gründen der Fairness einen reziproken Zoll zu erheben, was bedeutet, dass ich das in Rechnung stellen werde, was die Länder den Vereinigten Staaten von Amerika berechnen. In fast allen Fällen stellen sie uns viel mehr in Rechnung, als wir ihnen in Rechnung stellen, aber diese Zeiten sind vorbei“.

Mit Blick auf den Umfang der Untersuchung fügte er hinzu: „Die Europäische Union hat unsere Unternehmen sehr hart angepackt. Sie hat Apple verklagt, sie hat Google verklagt, sie hat Facebook verklagt. Das Rechtssystem dort drüben ist nicht sehr freundlich zu unseren Unternehmen“.

Die Implikationen solcher Aussagen sind klar. Alles in der Innenpolitik eines anderen Landes, was in den Augen der Regierung den Interessen der USA und ihrer Unternehmen abträglich ist, wird zum Ziel von reziproken Steuern werden, nicht nur ihre Zölle auf amerikanische Waren.

Ein nicht namentlich genannter Beamter sagte, Trump habe einen „universellen“ Zoll nicht ausgeschlossen, aber für den Moment habe er sich für eine reziproke Behandlung entschieden.

Trump sagte Reportern, er werde Einfuhrsteuern auf Autos, Halbleiter und Pharmazeutika „zusätzlich“ zu den reziproken Zöllen zu einem späteren Zeitpunkt erlassen. Er nannte eines der Ziele der Maßnahme und sagte: „Wenn Sie Ihr Produkt in den Vereinigten Staaten herstellen, gibt es keine Zölle“.

Die Änderung der Taktik von einem universellen Zoll zu reziproken Zöllen steht im Zusammenhang mit der allgemeinen Strategie der USA, in ihrem Wirtschaftskrieg einen verbündeten Block zu bilden. Ein universeller Zoll würde die Länder eher zusammenbringen, während reziproke Maßnahmen bedeuten, dass mit einzelnen Ländern Vereinbarungen getroffen werden können, um sie in die Umlaufbahn der USA zu ziehen.

Trumps Schritt setzt das Prinzip der „Meistbegünstigung“ außer Kraft, das nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt wurde und festlegte, dass Zugeständnisse an ein Land allen Ländern gewährt werden müssen. Damit sollte verhindert werden, dass sich diskriminierende Handels- und Währungsblöcke bilden, die sich in den 1930er Jahren herausgebildet und nicht unwesentlich dazu beigetragen hatten, die Voraussetzungen für den Zweiten Weltkrieg zu schaffen.

Zollangleichung bedeutet, dass eine Reihe von Ländern im Fadenkreuz stehen, weil ihre Zölle auf importierte US-Waren höher sind als auf Waren, die sie auf den US-Markt schicken.

Indien, Brasilien, Vietnam, Argentinien und viele andere Länder in Südostasien und Afrika werden davon betroffen sein.

Der breite Umfang der Bewertung, die sich auf die interne Wirtschaftspolitik, die Gesetze und Vorschriften erstreckt, um festzustellen, ob sie als „unfair“ gegenüber den Vereinigten Staaten angesehen werden, bedeutet jedoch, dass Länder wie Japan und die Mitglieder der Europäischen Union einen ernsthaften Einschnitt erleiden könnten.

Auch China wird betroffen sein: Zwar sind die Zölle niedriger als in den USA, aber die Politik und die Vorschriften des Landes laufen den Interessen der USA zuwider. Ein Beispiel dafür ist die staatliche Förderung von Schlüsselindustrien, die China nach Ansicht der USA und anderer einen unfairen Vorteil auf den Weltmärkten verschafft.

Gegenüber dem Wall Street Journal erklärte Bill Hagerty, republikanischer Senator aus Tennessee und enger Verbündeter Trumps in dessen Wirtschaftskrieg: „Subventionen und regulatorische Barrieren sind genauso wirkungsvoll wie Zölle“.

Die von der Europäischen Union erhobene Mehrwertsteuer wird eines der Hauptziele der Untersuchung sein.

Peter Navarro, ein hochrangiger Handelsberater des US-Präsidenten und einer der führenden Befürworter der „America First“-Agenda mit einer besonderen Abneigung gegen China, hat die Mehrwertsteuer der EU als „Vorzeigekind“ für unfairen Handel gegen Amerika bezeichnet. Er sagte, dies habe es Deutschland ermöglicht, viel mehr Autos in die USA zu exportieren, als es von dort kaufe.

„Präsident Trump ist nicht länger bereit, das zu tolerieren. Trumps fairer und reziproker Plan wird dieser Ausbeutung amerikanischer Arbeiter ein schnelles Ende setzen“, betonte Navarro.

Trumps Maßnahmen haben nichts mit dem Schutz amerikanischer Arbeiter gemein. Sie zielen auf den Erhalt und die Stärkung der Position von US-Unternehmen im Kampf um globale Märkte ab.

Die amerikanischen Arbeiter, die bereits mit den Auswirkungen der höchsten Inflation seit vier Jahrzehnten zu kämpfen haben, werden durch Trumps Zollmaßnahmen noch stärker getroffen. Nach einer ersten Schätzung von Capital Economics könnte die Inflation, die bereits einen Aufwärtstrend zeigt, in diesem Jahr auf über 4 Prozent steigen.

Trump räumte ein, dass seine Zollmaßnahmen „kurzfristig“ zu höheren Preisen führen würden, behauptete aber ohne jeglichen Beweis, dass „die Preise auch sinken werden“.

Und gestern wiederholte er erneut eine der „großen Lügen“ seiner Wirtschaftsagenda mit der Behauptung, die Zölle würden „unserem Land ein Vermögen einbringen“. Dies beruht auf der falschen Annahme, dass Zölle von ausländischen Ländern und Unternehmen gezahlt werden, während sie in Wirklichkeit von US-Importeuren und US-Konsumenten gezahlt werden.

Die Untersuchung wird von Trumps Kandidat für das Handelsministerium, Howard Lutnick, und seinem designierten Handelsbeauftragten, Jamieson Greer, durchgeführt. Sie wurden angewiesen, bis Anfang April einen Bericht vorzulegen.

Mehrere US-Gesetze könnten herangezogen werden. Dazu gehören Abschnitt 302 des Handelsgesetzes, der sich auf die nationale Sicherheit bezieht, Abschnitt 301, der sich mit unfairem Handel befasst, und der International Emergency Powers Act.

Die Großmächte EU, Japan und China haben noch nicht reagiert, aber sie haben eine klare Botschaft erhalten: Entweder ihr unterwerft euch den USA und ändert eure Wirtschafts- und Regulierungspolitik, um ihren Forderungen nachzukommen, oder ihr werdet mit lähmenden Handelskriegsmaßnahmen konfrontiert.

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