Eröffnung der Olympischen Spiele 2024 in Paris unter rigorosen polizeistaatlichen Maßnahmen

Am Freitag fand in Paris die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2024 statt, in denen 11.310 Athleten aus 206 Ländern in 48 verschiedenen Sportarten gegeneinander antreten werden. Nach dem Ende dieser Spiele am 11. August werden 4.400 Athleten vom 28. August bis zum 8. September an den Paralympischen Spielen teilnehmen. Drei Milliarden Menschen weltweit werden die Spiele und die Leistungen der Athleten aus aller Welt verfolgen.

Beamte durchsuchen Taschen an einem Sicherheitskontrollpunkt in Paris vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele am 26. Juli 2024 [AP Photo/Andy Wong]

Doch der im Wesentlichen internationale und humane Charakter der sportlichen Ereignisse steht mehr denn je in scharfem Konflikt mit dem kapitalistischen Nationalstaatensystem. Tatsächlich befürchten die französischen Behörden angesichts des massiven weltweiten Widerstands gegen die Politik der französischen Regierung und ihrer imperialistischen Nato-Verbündeten, dass Proteste in Frankreich eine explosionsartige Reaktion unter den Milliarden von Zuschauern auslösen könnten.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu inmitten des israelischen Völkermords in Gaza provokativ zu den Spielen eingeladen. Kaum drei Wochen vor Beginn der Spiele war seine Regierung bei vorgezogenen Neuwahlen zusammengebrochen, da eine überwältigende Mehrheit der französischen Bevölkerung Macrons Forderung nach der Entsendung von Truppen in die Ukraine zum Kampf gegen Russland und seine Entscheidung ablehnen, die Erhöhung der Militärausgaben durch Rentenkürzungen zu finanzieren. Die gleiche tiefgehende Opposition gegen Völkermord, Krieg und Sparmaßnahmen herrscht auch unter Arbeitern und Jugendlichen weltweit.

Laut einem Bericht von BFM-TV warnte der französische Inlandsgeheimdienst in einer Kurzmitteilung, bei den Olympischen Spielen könne es zu „verschiedenen Taten im Zusammenhang mit sozialer Opposition“ kommen.

Die französischen Geheimdienste befürchteten vor allem „die große Zunahme an Bevölkerung“ im Raum Paris, da während der Spiele Millionen Gäste eintreffen werden. Dies könnte ihre Fähigkeit beeinträchtigen, Streiks und Proteste zu unterdrücken. Sie warnten, es „könnte nach gewissen Vorfällen“ erneut zu Ereignissen wie den Massenunruhen in den Städten im letzten Sommer nach dem Polizeimord an dem jungen Nahel kommen und „die Reaktionsfähigkeit der inneren Sicherheitskräfte beeinträchtigen, die bereits zur Sicherung der Olympischen Spiele 2024 mobilisiert wurden“.

Dies entlarvt die Behauptungen der französischen Medien und Politiker, bei den Polizeioperationen während der Olympiade handele es sich vor allem um Anti-Terror-Einsätze. Aus Angst vor einer Explosion der sozialen und politischen Opposition geht die herrschende Klasse rigoros mit Polizeistaatsmaßnahmen vor, die sich gegen die französische Bevölkerung und die Weltbevölkerung richten – und vor allem gegen die Arbeiterklasse.

In Nantes verhängte der Polizeipräfekt am Freitag für die Dauer der Spiele ein allgemeines Demonstrationsverbot, da Demonstrationen angeblich eine inakzeptable „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“ darstellen. In der nahe gelegenen Stadt Châteauroux verbat der Präfekt eine Protestveranstaltung gegen die Einladung israelischer Athleten zu den Spielen. Er erklärte, dies stelle „eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Ordnung“ dar, da Verweise auf den Völkermord in Gaza eine „sehr politisierte Orientierung [propagieren], die oft von ultralinken Organisationen vertreten wird“.

In Paris selbst hat Macron eine Armee von 45.000 Bereitschafts- und Militärpolizisten, 10.000 Soldaten sowie 22.000 privaten Sicherheitsleuten mobilisiert. Drohnen patrouillieren am Himmel, Hubschrauber donnern im Tiefflug über die Stadtviertel, die den Austragungsorten am nächsten liegen. Dutzende von Ländern haben Polizisten oder Soldaten zur Unterstützung der Patrouillen in Paris entsandt. Wer durch die Stadt läuft, trifft alle paar Wohnblocks auf Polizisten aus Frankreich, Spanien, Deutschland, Katar und anderen Ländern mit Schusswesten und Sturmgewehren.

Für den Zutritt zu einem Großteil von Paris ist ein QR-Code erforderlich, der von der Polizeipräfektur herausgegeben wird. Doch selbst dieser reicht oft nicht: Bei zu viel Sonnenlicht funktionieren die Lesegeräte der Polizei nicht und können die QR-Codes nicht lesen.

Viele Menschen meiden die drei konzentrischen Sicherheitszonen, die die Polizei um die Austragungsorte errichtet hat, oder halten sich ganz aus Paris fern. Wie der Präsident des Verbands des Gaststättengewerbes (UMIH), Thierry Marx, erklärte, verlieren die Restaurants in Paris deshalb 30 bis 60 Prozent ihrer Einnahmen. Nahezu alle Restaurants und Geschäfte auf den beiden zentralen Inseln der Stadt sind geschlossen, und bei der Belieferung der Pariser Unternehmen mit Lastwagen kommt es zu massiven Verzögerungen.

Nur in diesem brisanten politischen Kontext lässt sich die offizielle Reaktion von Freitag auf die Berichte über die Brände am französischen Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz (TGV) erklären.

Am Freitagmorgen waren die französischen Medien beherrscht von Berichten über vier koordinierte Brandanschläge auf Kabel der Signalanlagen des TGV. Die Brände brachen um etwa fünf Uhr morgens an drei weit voneinander entfernten Orten in Courtalain, Pagny-sur-Moselle und Croisilles aus und gefährdeten den Verkehr auf den TGV-Strecken von Paris nach Norden, Osten und Westen. Französische Regierungsvertreter stellten den Verkehr auf einem Großteil des TGV-Netzwerks ein, sodass am Freitag 250.000 Menschen und bis Ende des Wochenendes 800.000 Menschen festsitzen und nicht zu den Olympischen Spielen fahren können.

Im Verlauf des Vormittags, noch bevor irgendwelche eindeutigen Berichte über das Ausmaß der Brände oder die Identität der Brandstifter vorlagen, stellten französische Regierungsvertreter sie als Kriegshandlung dar. Der Vorstandsvorsitzende der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF, Jean-Pierre Farandou, erklärte: „Frankreich wird angegriffen.“ Die Regionalpräsidentin von Paris, Valérie Pécresse, sprach von einem „Versuch, Frankreich zu destabilisieren“. Die Pariser Staatsanwaltschaft erklärte, sie untersuche die Brände als einen „Angriff auf die fundamentalen Interessen der Nation“.

Kurz vor 11 Uhr vormittags räumte die Polizei ein, keine Anhaltspunkte zur Identität der potenziellen Brandstifter zu haben. Dennoch forderte sie, die Brände als linken Terrorismus zu behandeln. Die rechte Tageszeitung Le Figaro berichtete unter Berufung auf „Polizeiquellen“: „Dieser Angriff kann zwar nicht eindeutig bestimmten Tätern zugeordnet werden, aber am wahrscheinlichsten sind momentan Verdächtige aus dem ultralinken Spektrum.“

Vertreter der Polizei betonten in mehreren Medienkanälen, dass – zumindest bis Beweise vorliegen – die Linke für den Angriff auf Frankreich verantwortlich gemacht werden sollte. Ein Vertreter der Polizei erklärte gegenüber Le Figaro, diese Anschläge „erinnern an einen Modus Operandi, der früher von Mitgliedern der Ultralinken verwendet wurde“.

In Wirklichkeit wirft diese Behauptung viel mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Der größte angebliche „ultralinke“ Anschlag auf den TGV ist die berüchtigte Tarnac-Affäre von 2008. Damals wurde eine kleine anarchistische Gruppe beschuldigt, die Zerstörung der TGV-Bahnstrecken geplant zu haben. Letzten Endes erwiesen sich die Anschuldigungen jedoch als unhaltbar und alle Angeklagten wurden freigesprochen, nachdem sich herausstellte, dass die treibende Kraft in der Gruppe hinter den Anschlägen auf den TGV ein Provokateur der britischen Polizei namens Mark Kennedy war.

Als dieser Artikel erschien, war noch unklar, wie sich diese Brände abspielten – und wie eine kleine „ultralinke“ Organisation trotz der massiven Mobilisierung von Polizei und Geheimdiensten während der Olympischen Spiele unentdeckt einen koordinierten landesweiten Angriff auf den SNCF durchführen konnte. Wenn man jedoch den früheren „Modus Operandi“ geplanter Anschläge auf den TGV als Richtschnur nimmt, würden sie auf eine staatliche Provokation hindeuten.

Bis zum Nachmittag machten hohe Regierungsvertreter und Medien auf der ganzen Welt völlig haltlose Anschuldigungen, dass die von der Nato ins Visier genommenen Großmächte für die Brände verantwortlich seien. Der israelische Außenminister Israel Katz, dessen Regime auf einen Krieg mit dem Iran drängt, behauptete ohne irgendeinen Beweis, die Brände der TGV-Signalanlagen seien „unter dem Einfluss der iranischen Achse des Bösen geplant und ausgeführt worden“.

Der britische Guardian wies mit dem Finger auf Russland und schrieb: „Die Sicherheitsdienste in ganz Europa sind wegen russischer Sabotage schon lange in Alarmbereitschaft, seit Russland angeblich an einem Brandanschlag im Osten Londons beteiligt war.“ Er zitierte den ehemaligen französischen Botschafter in Russland, Jean Gliniasty, mit den Worten: „Wir befinden uns offensichtlich in einem Konflikt mit Russland, und Russland wird offensichtlich nichts tun, um diesen Olympischen Spielen zum Erfolg zu verhelfen – und das ist noch eine Untertreibung.“

Der amtierende französische Premierminister Gabriel Attal sah sich am Freitagabend gezwungen, die Medien zur „Zurückhaltung“ in ihren Äußerungen über die TGV-Brände aufzufordern.

Unabhängig davon, was über die Brände herauskommt, ist eines sicher: Macrons Hoffnungen, dass die Olympischen Spiele „zu einer Ruhepause führen, in der das Gefühl von Nationalstolz die politischen Spaltungen überwindet“ – wie es Le Monde schrieb –, werden enttäuscht werden. Die herrschende Klasse Frankreichs baut einen faschistischen Polizeistaat auf, weil der tiefgehende Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und dem Imperialismus eher früher als später offen ausbrechen wird.

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