Streikdrohung bei Stellantis

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) veranstaltet am Sonntag, den 25. August, um 21.00 Uhr MEZ eine Versammlung „Für globale Aktionen zur Verteidigung von Arbeitsplätzen bei Warren Truck und in der ganzen Welt!“ Hier geht es zur Anmeldung.

Schichtwechsel im Montagewerk in Warren

Die US-Automobilarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW) droht mit einem Streik und kündigt den Gang von Gericht an, nachdem Stellantis die Pläne zur Wiedereröffnung seines Montagewerks in Belvidere im US-Bundesstaat Illinois aufgegeben hat.

Die Gewerkschaftsbürokraten haben nach den Tausenden von Entlassungen im Anschluss an einen angeblich „historischen“ Tarifvertrag monatelang ein schuldbewusstes Schweigen bewahrt. Nun versuchen sie der Wut von Gewerkschaftsmitgliedern zuvorzukommen, damit sie nicht die Kontrolle verlieren. Wenn es einen Streik zur Verteidigung der Arbeitsplätze geben soll - und es muss ihn geben – so kann er durch einen Aufstand gegen den Apparat erzwungen werden.

Dass die Gewerkschaftsfunktionäre sogar die Möglichkeit eines Streiks während der Laufzeit eines Vertrags ins Spiel bringen, obwohl sie normalerweise die Friedenspflicht betonen, verdeutlicht ihre große Angst, dass die Arbeiter die Dinge mit oder ohne offizielle Zustimmung selbst in die Hand nehmen könnten.

Die Streikdrohung bei Stellantis kommt weniger als zwei Wochen nachdem das Unternehmen 2.450 Entlassungen im Warren Truck Assembly Plant angekündigt hat. Das Werk reduziert die Produktion damit auf eine Schicht und letztlich droht die Schließung. Die Kürzungen sind das jüngste Beispiel für ein globales Massaker auf dem Arbeitsmarkt. Auch 25.000 italienische Stellantis-Beschäftigte und Zulieferer verlieren ihre Arbeitsplätze.

Ebenfalls am Montag kündigte General Motors 1.000 neue Entlassungen an, darunter 600 im GM Technical Center nördlich von Detroit. Zudem haben 1.000 von der UAW vertretene Akademiker an der Cornell University einen Streik wegen der steigenden Lebenshaltungskosten begonnen. Darin zeigt sich das Potenzial für eine breite Bewegung zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Lebensstandards – Fragen, welche die Arbeiter in den USA und weltweit vereinen.

Die Entlassungen haben eine wütende Reaktion unter den Automobilarbeitern hervorgerufen. Die Verantwortung wird direkt der unternehmensfreundlichen UAW-Bürokratie zuschoben. Bei einem lokalen Versammlung am vergangenen Donnerstag prangerten die Beschäftigten vom Stellantis-LKW-Montagewerk in Warren die Gewerkschaftsfunktionäre an. Insbesondere der UAW-Vorsitzende Shawn Fain steht in der Kritik, der im vergangenen Jahr nur zu einem begrenzten Streik in einigen Werken aufgerufen hatte, bevor er einen Tarufvertrag durchsetzte, den er und US-Präsident Biden fälschlicherweise als „historischen“ Sieg bezeichneten. Örtliche Funktionäre wichen den Fragen der Arbeiter aus und verteilten lediglich Informationsmaterial über den Erhalt von Arbeitslosengeld.

Die Arbeiter bekräftigten ihre Unterstützung für eine Erklärung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees, die zu globalen Maßnahmen aufruft, um die weltweiten Entlassungen zu stoppen. Viele bekundeten auch ihre Unterstützung für Joe Kishore, den Kandidaten der Socialist Equality Party für das Amt des US-Präsidenten.

„Wir werden sehen, was passiert. Ich habe nicht viel Vertrauen in die Gewerkschaft, weil es zu viele gierige Leute gibt, die die Mitglieder ausnutzen, auch unter den Gewerkschaftsleuten. Vielleicht verkaufen sie uns nur für blöd. Ich glaub gar nichts“, sagte ein Mitarbeiter aus dem von Stellenstreichungen betroffenen Werk in Warren am Montag.

Die Streikdrohung der UAW fiel zeitlich sicherlich absichtlich zusammen mit dem Auftritt des Gewerkschaftsvorsitzenden Faim am Montag auf dem Nationalkongress der Demokraten. Fain beschimpfte dort Trump und seinen designierten Vize J.D. Vance als „Schoßhündchen der Milliardärsklasse“. Absurderweise behauptete er, die Regierung Biden-Harris sympatisiere mit den Streikenden. In Wirklichkeit werden beide Parteien von den Reichen kontrolliert.

Fain prangerte Trump auch wegen seiner Rolle bei der Schließung des GM-Werks in Lordstown im Jahr 2019 an - tatsächlich hat die UAW der Schließung zugestimmt. Kein Wort verlor er über die drohende Werksschließung in Warren.

Der Gewerkschaftsvorsitzende Shawn Fain spricht vor US-Präsident Joe Biden auf einem politischen Kongress der United Auto Workers, 24. Januar 2024, Washington. [AP Photo/Alex Brandon]

Fain verbrachte einen großen Teil seiner Rede damit, seine Streikbereitschaft zu betonen. Doch nur wenige Stunden vor seiner Rede sagte die Gewerkschaft plötzlich einen Streik der Beschäftigten von Dakkota Auto Parts in Chicago am späten Montagabend ab. Die Gewerkschaft hat die Abstimmung für Dienstag um 9.00 Uhr angesetzt, so dass die Beschäftigten keine Zeit haben, den vorgelegten Tarifvertrag zu studieren, bevor sie darüber abstimmten. Der einzige plausible Grund für dieses Verfahren bestand darin, die Arbeiter von Dakkota von den Arbeitern von Stellantis zu trennen.

Will Lehman, ein sozialistischer Arbeiter im Werk von Mack Trucks, der bei den Wahlen zum Gewerkschaftsvorsitz 2022 gegen Fain kandidiert hatte, sagte am Montagabend:

Auf den Parteitagen der Demokraten und der Republikaner in diesem Sommer zeigt sich, wie verkommen und bankrott beide kapitalistischen Parteien sind. Ob nun Sean O'Brien Trump unterstützt oder Fain Harris - Harris und Trump repräsentieren unterschiedliche Fraktionen der herrschenden Klasse. Die Verteidigung von Arbeitsplätzen und Rechten der Werktätigen erfordert, dass die Basis selbst die Initiative ergreift, sich betriebsübergreifend zusammenschließt und nicht für das kämpft, was die Konzerne wollen, sondern was wir brauchen. Unterstützt mich in diesem Kampf und gründet noch heute in eurem Betrieb ein Aktionskomitee.

Die Gewerkschaftsbürokratie tut alles, was sie kann, um einen Streik bei Stellantis zu verhindern. Auf einer Website „droht“ die Gewerkschaft mit Streik, betonte aber immer wieder, dass „unser Ziel NICHT der Streik“ sei, sondern „das Produkt zu erreichen, zu dem sich Stellantis verpflichtet hat“.

Das bevorzugte Ergebnis der Bürokratie ist also die Ausarbeitung einer Vereinbarung zur Vermeidung eines Streiks. Diese würde mutmaßlich weitere geheime Zugeständnisse im Austausch für Investitionen im Werk in Belvidere beinhaltet. Die Gewerkschaftsführung hat nicht einmal die Möglichkeit eines gleichzeitigen Streiks bei Ford und General Motors angesprochen, wo ebenfalls Massenentlassungen im Gange sind.

Der Gewerkschaftsapparat versucht die Tatsache zu vertuschen, dass die UAW keineswegs Verbesserungen und „Gewinne“ erreicht haf, sondern vielmehr die Entlassungen das Ergebnis ihres Wirkens darstellen. In einer Textnachricht an alle UAW-Stellantis-Beschäftigten erklärt die Gewerkschaft: „Stellantis will unsere Vertragsabschlüsse von 2023 rückgängig machen.“

Die Gewerkschaft versprach, unbefristete Vollzeitstellen für die Beschäftigten mit minderwertigen Verträgen zu schaffen; stattdessen werden nun Tausende entlassen. Rich Boyer, UAW-Gewerkschaftsfunktionär bei Stellantis, gab kürzlich zu dass der gesamte UAW-Vorstand von Anfang an von den bevorstehenden Entlassungen wusste. Die Gewerkschaft sagte jedoch nichts, um die Verabschiedung des Tarifvertrags zu gewährleisten.

Der Text der Beschwerde, die die UAW nach eigenen Angaben in mehreren Stellantis-Werken eingereicht hat, wirft der Konzernführung von Stellantis vor, gegen die „US-Investitionserklärung“ aus dem neuen Tarifvertrag zu verstoßen. Das Unternehmen hatte demnach zugesagt, Milliarden in Belvidere und andere US-Werke zu investieren. In Wirklichkeit heißt es in diesem Schreiben auf Seite 138 des Tarifvertrags:

Die Parteien sind sich darüber im Klaren, dass die globalen und nordamerikanischen Volkswirtschaften und Fahrzeugmärkte nach wie vor sehr volatil sind ... mit der Einführung von EV-Produkten ist mit weiteren Unwägbarkeiten in Bezug auf Volumen und Mix zu rechnen [...]

Dementsprechend versteht es sich von selbst, dass die oben genannten Zahlen zu den Produktinvestitionen und zur Beschäftigung ... von der Leistung der Anlagen, den Veränderungen der Marktbedingungen und der Verbrauchernachfrage abhängen.

Auszug aus dem Stellantis-Vertrag von 2023, der dem Unternehmen das einseitige Recht einräumt, seine Investitionszusagen je nach „Marktbedingungen“ nicht einzuhalten. [Photo: Stellantis/UAW]

Mit anderen Worten: Die UAW hat wissentlich einer Formulierung zugestimmt, die es dem Unternehmen ermöglicht, seine „Versprechen“ jederzeit und aus verschiedenen Gründen zu brechen. Den Arbeitern wurden falsche Zusagen gemacht.

Dies unterstreicht nur, dass der Vertrag unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geschlossen wurde. Die Arbeiter haben jedes Recht, die Vereinbarung als null und nichtig zu betrachten. Ein Tarifvertrag, der nur für die Arbeitnehmer bindend ist, während das Unternehmen sein Verhalten je nach „Marktbedingungen“ ändern kann, ist nichts wert.

Bezeichnenderweise heißt es in dem Schreiben auch, dass sich das Unternehmen verpflichtet hat, das LKW-Modell Ram 1500 Classic nur bis 2024 bei im Werk Warren Truck zu produzieren. Da die Einstellung der Produktion dieses Modells der Hauptgrund für die Entlassungen im Werk ist, bedeutet dies ganz klar: Die UAW-Verhandlungsführer wussten von den bevorstehenden Entlassungen auch bei Warren Truck, haben diese aber verschwiegen.

In einer auf X veröffentlichten Erklärung sagt der Vizepräsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party Jerry White:

Es ist bemerkenswert, dass die UAW mit ihrer Klage weder einen Stopp des Stellenabbaus bei Warren Truck noch die Wiedereinstellung von Tausenden von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten fordert, die seit der Unterzeichnung der Verträge in Detroit, Toledo und Kokomo ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Die Wiedereröffnung von Belvidere war eines der vielen wertlosen Versprechen, mit denen Fain, Rich Boyer & Co. den unternehmensfreundlichen Vertrag verkaufen wollten. Die UAW hoffte offenbar, dass diese Einrichtungen auch als Abladeplatz für die Tausenden von Arbeitern genutzt werden könnten, die im Rahmen der neuen Vereinbarung entlassen werden. Wie die UAW in ihrer Pressemitteilung einräumt, hat die Streichung dieser Pläne „Auswirkungen auf die Mitglieder von Stellantis auf nationaler Ebene, da ihnen diese Arbeitsplätze im Falle von Entlassungen nicht mehr zur Verfügung stehen werden“.

Kein noch so großer Appell an die Unternehmen, die UAW-Bürokratie oder die Demokratischen und Republikanischen Parteien wird etwas bewirken, um die Arbeitsplätze und die Existenzgrundlage der Arbeiter zu schützen. Wenn es einen Kampf geben soll - und es kann und muss ihn geben – dann müssen die Arbeiter die Initiative selbst in die Hand nehmen, indem sie in jedem Betrieb Aktionskomitees bilden, die gemeinsame Aktionen zur Verteidigung der Arbeitsplätze vorbereiten. Im Gegensatz zu Harris und Trump besteht die Socialist Equality Party darauf, dass Arbeiter das soziale Recht auf einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz haben. Das ist nur durch den Kampf für den Sozialismus möglich, einschließlich der Umwandlung dieser riesigen transnationalen Konzerne in öffentliche Versorgungsbetriebe unter der demokratischen Kontrolle und dem kollektiven Eigentum der internationalen Arbeiterklasse.

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Ein wichtiges Element in der Kampagne der Gewerkschaftsbürokratie ist die Förderung des „America First“-Nationalismus. In Erklärungen der letzten Woche beschuldigte Fain den aus Portugal stammenden Stellantis-CEO Carlos Tavares und andere „ausländische Führungskräfte“, ein „einst großartiges amerikanisches Unternehmen“ ruiniert zu haben. Am Montag forderte die Gewerkschaft das Unternehmen auf, seiner Verpflichtung zu „Investitionen in Amerika“ nachzukommen. Gleichzeitig hat die UAW die weltweiten Entlassungen, die außerhalb der Vereinigten Staaten stattfinden, völlig ignoriert.

In Wirklichkeit produzieren Stellantis und die „amerikanischen“ Autokonzerne Ford und GM sowie alle anderen Autokonzerne auf globaler Ebene mit Werken und Lieferketten in zig Ländern. Dies unterstreicht, dass die Automobilarbeiter eine internationale Strategie zum Kampf gegen die Kürzungen benötigen, welche die Arbeiter auf der ganzen Welt auf Basis ihrer gemeinsamen Interessen vereint.

In vollendeter Heuchelei beschuldigte Fain Trump der „Teile-und-herrsche“-Taktik, weil er Einwanderer zum Sündenbock machte. Tatsächlich machen er und sein Gewerkschaftsapparat genau dasselbe. Während sie lautstark einen möglichen Streik ankündigen, versuchen sie, die Arbeiterklasse zu lähmen, indem sie „Amerikaner“ von „Ausländern“ unterscheiden.

Die Gewerkschaftsbürokratie will den amerikanischen Nationalismus anheizen, um die öffentliche Meinung auf Krieg vorzubereiten. Fain und die Apparate aller großen Gewerkschaften sind wichtige Verbündete bei der Vorbereitung der Heimatfront für den Krieg. US-Präsident Biden hat das jüngst anerkannt, als er den amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO als seine „NATO im Innern“ bezeichnete.

Die Ereignisse vom Montag machen deutlich, dass sich die Arbeiter in einem Zweifrontenkrieg befinden, sowohl gegen das Unternehmen als auch gegen die Gewerkschaftbürokratie, und hinter beiden steht die kapitalistische Regierung. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für die Arbeiter, ihre globale Macht als Schöpfer des weltweiten Reichtums in einem unabhängigen Kampf einzusetzen, und sich von den Zwangsjacken der Gewerkschaftsausverkäufer und der konzernfreundlichen Politiker zu befreien.

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitess (IWA-RFC) veranstaltet am Sonntag, den 25. August, um 21.00 Uhr MEZ eine Online-Versammlung „Für globale Aktionen zur Verteidigung von Arbeitsplätzen bei Warren Truck und in der ganzen Welt!“ Hier geht’s zur Anmeldung .

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