Dan La Botz im International Viewpoint: Ein moralischer Eunuch verdammt palästinensische Gewalt

Dan La Botz veröffentlichte am 16. Oktober auf der Website des International Viewpoint einen abstoßenden Artikel über den völkermörderischen Krieg, den Israel mit Unterstützung der USA im Gazastreifen führt.

La Botz ist ein erfahrener Staatskapitalist, der sich in den 1970ern Shachtmans International Socialists (IS) anschloss, die die Politik des „dritten Lagers“ vertraten. Später spielte er eine führende Rolle in der betrügerischen „Reformfraktion“ Teamsters for a Democratic Union (TDU), die heute nichts anderes ist als eine Fraktion der Teamsters-Bürokratie.

La Botz ist Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA) und schreibt für den International Viewpoint, die Publikation der Organisationen, welche die Überreste des früheren pablistischen Vereinigten Sekretariats, und allgemeiner, die „hinteren Enden“ des globalen pseudolinken Spektrums darstellen. La Botz ist ein typischer Vertreter der selbstgefälligen, wohlhabenden kleinbürgerlichen Ex-Radikalen. Zuvor hatte er die imperialistische Aggression in Libyen und Syrien befürwortet und unterstützt mit Nachdruck die Bewaffnung der Ukraine durch die USA und die Nato-Mächte im aktuellen Krieg.

Dan La Botz [Photo: Twitter]

La Botz wendet seine Politik des „dritten Lagers“ auf die aktuelle Situation an und weist heuchlerisch sowohl dem zionistischen Regime als auch der Hamas gleichermaßen die Schuld an der Gewalt im Nahen Osten zu.

Die Überschrift des Artikels im International Viewpoint sagt bereits viel aus: „Der Krieg zwischen Israel und Palästina wühlt die US-Politik von oben nach unten auf.“ Der Konflikt hat die US-Politik weiter polarisiert, da beide große Parteien und das gesamte mediale Establishment über die „Brutalität“ und „Bösartigkeit“ der Palästinenser lamentieren und ihre volle Unterstützung für Israels Massenmord versichern. Andererseits sind hunderttausende Angehörige aller Ethnien, vor allem junge Menschen, aktiv geworden, um gegen Biden und Israel zu opponieren und ihre Unterstützung für den Kampf der unterdrückten Palästinenser zum Ausdruck zu bringen.

In der Einleitung von La Botz’ Artikel heißt es: „Der Angriff der Hamas auf Israel, bei dem u.a. Zivilisten ermordet wurden und dem Israels Belagerung und Bombardierung des Gazastreifens und die Forderung nach der sofortigen Umsiedlung von über einer Million Zivilisten folgten, hat die amerikanische Politik von oben bis unten elektrisch aufgeladen. Während Politiker über Politik debattieren, gehen tausende Amerikaner auf die Straße, um Israel oder Palästina zu unterstützen, und die Linke ist in der Frage gespalten.“

La Botz benutzt Worte wie „aufwühlen“ und „elektrisch aufladen“, die in diesem Kontext nichts bedeuten, lediglich um sich nicht auf die Seite der anti-israelischen Kräfte stellen zu müssen. Genauso gut könnte man die New York Times lesen.

La Botz’ Ausgangspunkt ist nicht die unmissverständliche Unterstützung für ein unterdrücktes Volk, das einer bis an die Zähne bewaffneten Einheitsfront aus imperialistischen Mächten gegenübersteht, sondern die „Ermordung von Zivilisten“ durch die Hamas, die angeblich „die Linke gespalten“ hat. Keine wirklich sozialistische Linke wäre wegen des Gaza-Konflikts gespalten. La Botz denkt dabei an die Demokratische Partei und ihr Umfeld, einschließlich der Fraktion der Demokraten, der er angehört, der DSA.

Ebenso wenig stimmt es, dass die „tausenden“, die „auf die Straßen geströmt sind“, zu gleichen Teilen in Unterstützer des zionistischen Staates und der Palästinenser aufgeteilt waren, wie es La Botz andeutet. In allen großen – und vielen kleineren Städten – kam es zu aufrichtigen, wütenden Protesten gegen die israelischen Massaker und, allgemeiner, die jahrzehntelange brutale Unterdrückung der Palästinenser in Gaza, dem Westjordanland und Israel selbst. Auch tausende Juden beteiligten sich an diesen Protesten.

Erstaunlicherweise kritisiert La Botz die Kongressabgeordnete Rashida Tlaib (Demokratin aus Michigan) von rechts. Er argumentiert, Tlaib hätte „als Amerikanerin palästinensischer Herkunft gesagt: ,Dieser herzzerreißende Kreislauf der Gewalt wird weitergehen‘, bis die Geldzahlungen eingestellt werden, aber sie übte keine Kritik an der Hamas.“ [Hervorhebung hinzugefügt]. La Botz bevorzugte die Kommentare der Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez aus New York City: „[Sie] war vorsichtiger, kritisierte die Hamas und rief beide Seiten zur ,Deeskalation‘ auf.“

Ocasio-Cortez war nicht vorsichtiger, sondern unterwarf sich dem Lynchmob der pro-zionistischen Medien und des Establishments. Sie verurteilte pro-palästinensische Demonstrationen und deutete an, es „sollte nicht so schwer sein, Hass und Antisemitismus zu unterbinden, wenn wir ihn sehen“. Damit wiederholte sie die große Lüge, Unterstützung für die Palästinenser sei gleichbedeutend mit Rassismus und Antisemitismus. Ocasio-Cortez’ empörendsten Kommentar hinsichtlich einer Demonstration in New York City, die sich gegen den israelischen Angriff auf den Gazastreifen richtete, verschweigt La Botz diskret. Sie hatte erklärt, die „Bigotterie und Gefühllosigkeit, die am Sonntag auf dem Times Square zu sehen war, waren in diesem verheerenden Moment inakzeptabel und schädlich“.

Tatsächlich verleumdet La Botz, wenn auch „vorsichtiger“, die pro-palästinensischen Demonstrationen ebenso wie Ocasio-Cortez. Er schreibt, einige Proteste „haben scheinbar die Hamas unterstützt, viele haben sich geweigert, die Hamas zu kritisieren, und bei einigen wurden nicht nur antizionistische, sondern auch antisemitische Parolen gerufen“.

Wo? Wovon spricht La Botz? Vielleicht beteiligte sich manch ein Antisemit an einer Protestveranstaltung, aber abgesehen von Fox News und anderen rechtsextremen Medien behauptet niemand, diese hätten irgendeine Massendemonstration beherrscht. Vielmehr genießt der israelische Angriff die volle Unterstützung der neofaschistischen, antisemitischen Alternative für Deutschland (AfD), des von Neonazis durchsetzten Selenskyj-Regimes und der Faschisten (und Antisemiten), die den Großteil der republikanischen Kongressfraktion ausmachen.

Der bekannte Schauspieler John Cusack wies derartige Behauptungen ausdrücklich zurück. Er erklärte in den sozialen Medien über den Protestmarsch in Chicago: „Ich sage euch, was ich nicht gehört habe: Ich habe kein Tod für Israel gehört, kein Tod den Juden, ich habe nicht gehört, dass Menschen die Ermordung israelischer Zivilisten gefeiert haben. Was ich TATSÄCHLICH gehört habe: Wir müssen Palästina von einer brutalen Besetzung befreien. Die Menschen machen sich Sorgen um ihre Angehörigen, die in einer Hölle ohne Essen, Wasser und Strom festsitzen.“

La Botz verleumdet im Grunde die Proteste im Namen der Biden- und der Netanjahu-Regierung und ihrer Propagandisten und Verteidiger.

La Botz’ „Unparteilichkeit“ hinsichtlich der Unterdrückten und der Unterdrücker ist typisch für sein Milieu und reaktionär bis ins Mark. Pharisäer und selbstgerechte Heuchler stehen bei einem solchen Konflikt abseits und wünschen beiden Seiten die Pest. Währenddessen geht das Massenmorden weiter. Neutralität bedeutet Komplizenschaft mit dem Unterdrücker.

Marxisten kritisieren die Hamas nicht wegen ihrer Militäroperation im Süden Israels, sondern wegen ihrer bürgerlich-nationalistischen Politik, ihrer Unfähigkeit, arabische und jüdische Arbeiter gegen den zionistischen Staat und die diversen korrupten Regimes in der Region zu vereinen.

Der Angriff am 7. Oktober war kein Terroranschlag, sondern eine Militäraktion und ein Aufstand eines unterdrückten Volks. Die herrschenden Klassen, die vor Angst zittern, stufen zunehmend jedes Anzeichen von entschlossenem Widerstand gegen ihre Herrschaft als Akt von „Terrorismus“ ein.

Bei den Kämpfen wurden israelische Zivilisten getötet, die nicht für das Leid der Palästinenser verantwortlich waren. Die Verantwortung für diese Tragödie liegt beim zionistischen Regime und seinen westlichen Hintermännern, welche die Palästinenser jahrzehntelang vertrieben, verfolgt, eingesperrt, gefoltert und ermordet haben.

Die Bedingungen im Gazastreifen sind ungeheuerlich, eine Hölle auf Erden. Die Empörung, die in diesem Freiluftgefängnis hochkochte und am 7. Oktober ausbrach, war völlig legitim. Wie wir bereits festgestellt haben, „werden diejenigen, die in derart brutalisierenden Bedingungen wie im Gazastreifen eingesperrt sind, nicht mit Blumen in den Händen ,ausbrechen‘.“

Dies war schon immer die Haltung der Marxisten gegenüber der Revolte der Unterdrückten.

Karl Marx war 1857 der Vorreiter. Als Antwort auf die La Botzes seiner Zeit, die die Grausamkeiten der gegen die britische Herrschaft aufbegehrenden Inder beklagten, schrieb er: „In der Geschichte der Menschheit gibt es so etwas wie Vergeltung; und es ist eine Regel historischer Vergeltung, daß ihre Waffen nicht von den Bedrückten, sondern von den Bedrückern selbst geschmiedet werden.“

Es handelt sich dabei nicht immer um eine angenehme Sache, aber koloniale Sklaverei und Imperialismus sind keine angenehmen Phänomene. Der Historiker C.L.R. James aus Trinidad schrieb über die Sklavenrevolte in der französischen Kolonie Santo Domingo (Haiti) im Jahr 1791, die Sklaven hätten „unermüdlich zerstört. Wie die Bauern in der Jacquerie oder die ludditischen Maschinenstürmer suchten sie ihr Heil in der offensichtlichsten Weise: der Zerstörung dessen, von dem sie wussten, dass es die Ursache ihres Leidens war. Wenn sie viel zerstörten, dann deshalb, weil sie viel gelitten hatten. Sie wussten, solange die Plantagen existieren, würden sie auf ihnen arbeiten müssen, bis sie tot umfallen. Deshalb war die einzige Möglichkeit, sie zu zerstören. Von ihren Herren waren sie vergewaltigt, gefoltert, entwürdigt, und beim kleinsten Anlass getötet worden. Sie erwiderten es mit gleicher Münze.“ Genau so hatte es Marx erklärt.

James schrieb in The Black Jacobins, nachdem die ehemaligen Sklaven „die Macht hatten, taten sie, was sie gelernt hatten. Im Rausch der ersten Begegnungen töteten sie alle, verschonten jedoch die Priester, die sie fürchteten, und die Ärzte, die gut zu ihnen gewesen waren. Sie, deren Frauen zahllose Schändungen erlitten hatten, vergewaltigten alle Frauen, die ihnen in die Hände fielen, oft auf den noch blutenden Leichen ihrer Männer, Väter und Brüder. Ihr Kriegsschrei war Rache! Rache!’, und einer von ihnen trug ein aufgespießtes weißes Kind als Standarte.“ Warum war James nicht „vorsichtiger“ in seiner Darstellung? Warum kritisierte er die Sklaven nicht und rief zur „Deeskalation“ auf?

Was ist mit dem so genannten Boxeraufstand in China im Jahr 1900, als eine größtenteils auf der Bauernschaft basierende Bewegung gegen die Intervention der ausländischen Kolonialmächte rebellierte? Die „Boxer“ ermordeten christliche Missionare und Tausende von chinesischen Christen. Warum äußert sich Lenin in seinem Aufsatz „Der Krieg in China“ vom Dezember 1900 nicht „kritisch“ über den Aufstand?

Er fragt zwar, was „die Chinesen dazu gebracht hat, Europäer anzugreifen, was die Ursache des Aufstands war, den die Briten, Franzosen, Deutschen, Russen, Japaner, etc. mit solchem Eifer niederschlagen?... Es stimmt, dass die Chinesen die Europäer hassen, aber welche Europäer hassen sie, und warum? Die Chinesen hassen nicht die europäischen Völker, mit denen sie nie Streit hatten. Sie hassen die europäischen Kapitalisten und die europäischen Regierungen, die ihnen gehorchen. Wie sollten die Chinesen nicht diejenigen hassen, die nur um des Profits willen nach China gekommen sind; die ihre gepriesene Zivilisation nur für Täuschung, Plünderung und Gewalt benutzt haben?“

Im Jahr 1904 rebellierten Angehörige des Volks der Hereros gegen die Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika und töteten mehr als 100 deutsche und burenstämmige Siedler – Männer, Frauen und Kinder. Als Vergeltung dafür verübte das deutsche Militär einen Völkermordversuch und brachte Zehntausende von Herero-„Wilden“ um.

Rosa Luxemburg beschrieb einige Jahre später die Ereignisse und argumentierte, das „Verbrechen“ der Herero sei gewesen, „ihr Land gegen fremde Eindringlinge verteidigt zu haben. ... Die ,zivilisierte Welt‘ schaute untätig zu, wie der gleiche Imperialismus die grausame Vernichtung von zehntausend Angehörigen der Herero anordnete und den Sand der Kalahari mit den wahnsinnigen Schreien und dem Todesröcheln Verdurstender erfüllte.“ Kein Wort der „Kritik“ an den Morden, die das Massaker auslösten.

Leo Trotzki hat in Ihre Moral und unsere die marxistische Position gegenüber dem „moralisierenden Philister“, dessen „Lieblingsmethode darin besteht, das Verhalten der Reaktion mit dem der Revolution zu identifizieren“ brillant zusammengefasst. „Propheten dieses Typus‘“, zeichneten sich aus durch „Verständnislosigkeit gegenüber den großen historischen Bewegungen, eine verhärtete konservative Mentalität, selbstzufriedene Beschränktheit und primitivste politische Feigheit. Mehr als alles andere wünscht der Moralist, die Geschichte möge ihn mit seinen Büchlein, kleinen Zeitschriften, Abonnements, seinem gesunden Menschenverstand und seinen moralischen Schreibheften in Ruhe lassen.“

Als Beispiel dafür nannte Trotzki den Amerikanischen Bürgerkrieg und seine Brutalität. Er schrieb, Lincolns Bedeutung „liegt darin, daß er vor den schärfsten Mitteln nicht zurückschreckte, sobald er sie zur Erreichung des großen historischen Ziels, das der jungen Nation von der Entwicklung gesteckt wurde, notwendig erachtete“.

Trotzki wies darauf hin, dass es dabei nicht einmal darum geht, „welches der beiden kriegführenden Lager die größte Zahl von Opfern erlitt oder verursachte. Die Geschichte hat verschiedene Maßstäbe für die Grausamkeit der Nordtruppen und der Südtruppen im Bürgerkrieg. Mögen verächtliche Eunuchen nicht erzählen, der Sklavenbesitzer, der durch List und Gewalt den Sklaven in Ketten hält, und der Sklave, der durch List oder Gewalt die Ketten zerbricht, seien vor dem Gericht der Moral gleich!“

La Botz ist einer der heutigen moralischen Eunuchen.